18+ | Spiele mit Verantwortung | AGB gelten | Glücksspiel kann abhängig machen | Wir erhalten eine Provision von den hier angeführten Buchmachern.

Bundesliga-Wetten

Reiner Calmund wählt seine Leverkusen Top-Elf aus 2002 & 2024

Philipp Stottan  28. April 2024
Reiner Calmund
Reiner Calmund plaudert im Exklusiv-Interview aus dem Nähkästchen. (© IMAGO / Revierfoto)

Von 1976 bis 2004 war Reiner Calmund bei Bayer 04 Leverkusen angestellt, von Jugendleiter, bis Vorstandsmitglied und Geschäftsführer. Man kann also getrost sagen, der heute 75-Jährige hat die Werkself geformt wie kein anderer.

Was in seiner Amtszeit nie gelang, wurde nun Wirklichkeit: Leverkusen holt den ersten Meistertitel in der Vereinsgeschichte – gefeiert unter Tränen von Calmund.

Im ausführlichen Interview bei Beidfüßig lässt Reiner Calmund in seine Gefühlswelt blicken, erklärt wie der Titel zustande gekommen ist, ob Spieler wie Florian Wirtz zum Verkauf stehen, ob das Triple folgen wird. Zudem blickt er auf die Situation beim FC Köln, das SPiel von Leverkusen gegen den BVB und wer Europameister 2024 wird.

 

Reiner Calmund über Xabi Alonso: “Der Fußball-König unumstritten”

 

Wettbasis: Herzlich willkommen an den Baumeister von Bayer Leverkusen, der die ganze Sache erst einmal auf die Schiene gebracht hat, nämlich Reiner Calmund.

Reiner Calmund: “Hallo. Guten Morgen.”

Erst einmal herzlichen Glückwunsch. Was haben Sie gedacht, was haben Sie empfunden, in dem Moment, als die Meisterschaft klar war?

Calmund: “Es war für mich eine riesengroße Erlösung und die Tränen sind geflossen. Ich kann jetzt, Gott sei Dank, etwas dazu sagen, ohne dass sie fließen. Das war am Sonntag bei mir nicht möglich. Und ich habe auch sehr viele im Stadion gesehen.

Selbst sehr, sehr gestandene Leute wie Werner Wenning, der ja noch Vorsitzender des Aufsichtsrats bei Bayer 04 ist. Der ja auch sehr, sehr wichtig ist in der Schaltzentrale, das wissen die meisten nicht, weil der ja auch Vorstandsvorsitzender der Bayer AG weltweit ist, aber auch immer ein Fußballfan ist. Der in Quettingen, in der Ecke von Leverkusen aufgewachsen ist und eine besondere Verbindung hat. Da liefen, glaube ich, auch bei ihm die Tränchen. Das war einfach so.

Dann war ich bei Manfred Schneider, der das Stadion mit abgesegnet hat und auch diese Fußball-Aktivitäten abgesegnet hat. Jürgen von Einem. Ich könnte jetzt einen ganzen Bus voll nennen. Das ist mir dann in dem Moment auch schwer gefallen, oder in den Tagen danach, diese Leute jetzt nicht mindestens genauso zu würdigen, wie man das mit mir gemacht hat.”

Dieser Titel ändert ja ganz viel bei Bayer Leverkusen. Was ist das Vordergründigste? Was wird sich jetzt ändern bei Bayer?

Calmund: “Es wird sich nicht viel ändern. Sie arbeiten immer professionell. Das haben wir auch schon zu unserer Zeit gemacht. Ich kann jetzt nicht alle nennen, aber ich sage mal neben der Mannschaft mit Xhaka, Florian Wirtz – der ist ja in der Kölner Leverkusener Ecke geboren und groß geworden ist – dann eben mit Fernando Carro, ein Glücksgriff von Werner Wenning, den der da verpflichtet hat, über Headhunter und ein paar gute Fußball-Kollegen.

Der war bei Bertelsmann im Konzernvorstand, also ein absoluter top, top Kaufmann, der auch mit Millionen umgehen musste, aber auch ein riesengroßer Fußball-Bekloppter ist. Seine Mutter war ja Dolmetscherin, offizielle Dolmetscherin beim FC Barcelona, also für Krankl gedolmetscht, auch für Udo Lattek, so dass der diese Fußball-Begeisterung schon mit der Muttermilch eingesogen hat.

Dann muss man danach natürlich sagen, Simon Rolfes. Ganz junger Manager, bei uns lange gespielt, an der Seite von Rudi Völler groß geworden und der hat eigentlich ganz große Verdienste, dass Fernando Carro dann so unterstützt wurde und Alonso geholt wurde. Sie haben es ja eben gesagt, Sie hatten schon das Gefühl, ich habe nicht an die Meisterschaft gedacht. Aber als Alonso im letzten Jahr kam, auch sehr, sehr gepusht von Simon Rolfes, war Bayer Leverkusen 17. Am Schluss der Saison sind Sie dann noch in die Europa League gekommen.

Ich habe gerade auch noch Rudi Völler genannt, da führt auch gar kein Weg dran vorbei, ein ganz, ganz wichtiger Baustein. Dann ist natürlich Xabi Alonso, das muss man auch ganz klar sagen, der Fußball-König unumstritten, bescheiden und vernünftig. Mit der ganzen Familie, mit der ganzen Einstellung. Der große Fußball-König von Leverkusen, wenn man die Sympathien so ein bisschen registriert hat, von der ganzen Bundesliga, von ganz Deutschland. Er hat die Mannschaft ja ganz klar in einem System spielen lassen, was man praktisch bei jedem Spiel eins zu eins abgucken konnte.

Der zentrale Mann, oder sagen wir mal sein verlängerter Arm Xhaka, vorher bei Arsenal – ich kenn ihn aus Mönchengladbach, schweizer Nationalspieler – spielt eigentlich so ähnlich die Rolle wie Alonso sie vorher gespielt hat: Zentraler Boss im Mittelfeld. Das hat er in Spanien gemacht, ganz hervorragend. Europameister zweimal geworden, Weltmeister, das gleiche auch in der Champions League, mit Real Madrid, mit Liverpool und bei Bayern München war er sehr erfolgreich.

Was aber bei ihm ganz, ganz wichtig ist, was selten ist bei Trainern, vor dem entscheidenden Spiel. Man hatte zwei Punkte Vorsprung, dann ging’s gegen Bayern München und hat das dann auf fünf Punkte vergrößert und vor dem Spiel waren fünf wirklich wichtige Spieler beim Afrika-Cup. Dann war Palacio, ein ganz junger Weltmeister mit Argentinien verletzt, der Torjäger fiel aus, da hat man keinen Ton gehört. Da kommen andere Spieler rein, die er dann auch stark redet, aber die kann man nicht starkreden und draußen pausenlos sagen: der fehlt, der fehlt, der fehlt, wie das so üblich ist bei den meisten Trainern.

Ich wäre vielleicht auch so ein Trainer. Aber das kam bei ihm überhaupt nicht vor. Also großartig. Und dann noch das Highlight für mich ist natürlich immer die zweite Besetzung bei uns. Ob das Co-Trainer, Video-Trainer sind, die sehr, sehr anerkannt sind. Oder Christoph Daums Sohn Marcel, dann die Mediziner, Ärzte, Masseure, der ganze Staff, den hat er immer auf gleicher Ebene mit der Mannschaft mitgehalten.

Das hat er auch bildlich umgesetzt, als er alle Mann mit in die Kurve genommen hat, im Trainingsanzug oder im Arbeitsanzug und da durften die sich zusammen mit Alonso auch feiern lassen. Was das für eine Dynamik bringt, in dem ganzen Mannschaftskreis, da gehören ja nicht nur die Spieler dazu, auch die tagtägliche Betreuung. Großartig.”

Dann ist also ein ganz großer Baustein des Erfolgs Xabi Alonso, eben auch seine Art nicht von oben direktiv, wie derjenige, der die Macht hat, sondern tatsächlich einen Führungsstil wählt, der ganz anders ist?

Calmund: “Ich würde nicht sagen Führungsstil, ich denke, dass er auch ganz schön ekelig werden kann, bei einem Spieler, der die Aufgabe nicht erfüllt, oder sich nicht an die Taktik hält. Aber er bringt damit erstens einen großen Teamgeist in der Mannschaft zur Wirkung, wenn er nicht immer erzählt, das mit den vielen Verletzten. Keinen einzigen Ton hat man vor dem Bayern-Spiel darüber gehört.

Und das zweite ist, tagtäglich sind zehn, zwölf Mann vom Staff involviert, bei jedem Verein. Das fängt beim Betreuer an, über den Masseur, über den Arzt, über den Co-Trainer bis zu Video-Trainer und die dann auch so zu akzeptieren, nicht nur zu erzählen, sondern sich auch so zu nennen oder bei einem Spiel mit in die Kurve zu nehmen. Das bringt natürlich eine unwahrscheinliche Kameradschaft, einen unwahrscheinlichen Teamgeist, der immer wichtig ist.

Da ist er allerdings auch der klare Boss, das sieht man ja auch. Auf dem Platz spielt Xhaka eigentlich Alonso von früher. Exakt so, würde ich nicht sagen, aber im Wesentlichen, von der taktischen Aufgabe, von der Detailaufgabe, wie Alonso als Weltklassespieler agiert hat. Also das ist schon großartig, was Alonso da gemacht hat. Auch bei der Feier, ich war ja mit in der Kabine und auch oben mit seiner Familie. Das ist alles schon sehr, sehr verwachsen – sehr, sehr kameradschaftlich und fällt natürlich, wenn man so ein Erfolg hat, etwas leichter, als wenn Misserfolg da ist.”

 

Calmund erklärt: So hat Leverkusen Wirtz bekommen

Das heißt aber im Umkehrschluss, die Konkurrenten haben solch ein Trainer nicht, die haben was falsch gemacht. Die haben bei der Wahl der Führungspersönlichkeiten nicht gut genug geschaut.

Calmund: “So viele Alonsos gibt es nicht. Wenn man einen Trainer hat, der die Position, wie das Xhaka macht, so überträgt. Natürlich hat man dann auch noch einen Wirtz, der knallt da drei Dinger rein, das war Weltklasse mit sechs Sternen. Das kommt alles dazu.

Die individuelle Klasse, die auch die Mannschaft hatte, er ist ja auch kein Zauberer. Als er nach Leverkusen kam, im letzten Jahr, waren die 17. und er hat sie noch in die Europa League reingebracht. Da musst du natürlich neben dem Können auch ein gewisses Potenzial an Spielern in der Mannschaft haben, die das auch umsetzen können.”

Was macht das Team denn jetzt besser als alle anderen? Xabi Alonso hat dieses Team ja auch in einer ganz speziellen Art und Weise auf den Platz auflaufen lassen.

Reiner Calmund: “Es fängt damit an, letzte Saison wurde ja gepunktet, aber nicht in der Souveränität, nicht in dem klaren System. Er hatte natürlich auch ein System, er ha sich auch Gedanken gemacht, das war ja die Basis für den Erfolg. Aber man war da noch nicht so dominant wie in dieser Saison.

Das hat er peu-a-peu, mit dem Großteil der Mannschaft, mit der ein oder anderen ganz, ganz cleveren Verstärkung geschafft. Xhaka, auch Grimaldo. Es sind neue Spieler dazugekommen mit hoher Qualität. Ich habe es eben schon gesagt, Palacios, Weltmeister, 24 Jahre alt, alles so Themen. Oder auch vorne in der Spitze Boniface.

Wirklich, das wäre jetzt müßig alle durchzugehen. Es wurde dann auch noch mal personell an wichtigen Stellen erheblich nachgebessert. Das war dann noch mal die Basis und auch der nächste Schritt.”

 

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von Wettbasis (@wettbasis_com)

Florian Wirtz haben Sie angesprochen. Das ist ja eigentlich jemand, der in der Jugend von Köln groß geworden ist. Mit welchen Argumenten hat man ihn eigentlich nach Leverkusen geholt damals?

Calmund: “Nun, ich habe da meine eigene Theorie. Ich kenne das Umfeld gut, ich kenne den Vater gut. Der kommt aus Brauweiler und ich kenne den bestens, weil das nur einen Steinwurf von meiner Heimatstadt entfernt ist. Natürlich war der auch in Köln ein sehr, sehr außergewöhnliches Talent.

Aber ich will mal so sagen, als wir damals die Situation hatten Christoph Daum als Trainer, zum DFB-Trainer gemacht, danach Theater, dann kam Rudi Völler praktisch, für zehn Monate wurde der eingesetzt, da hatten wir ein Gespräch mit Rummenigge, mit Hoeneß, mit Mayer-Vorfelder als Präsident. Zehn Uhr oder elf Uhr ist da Besuch, wir spielten aber noch die Deutsche Jugend-Meisterschaft.

Dann hieß es, die Münchner kommen aus München, worauf ich sage, ist mir egal, erst gucken wir unsere Jugend und dann sind wir damals in einem Auto mit Rudi Völler und Christoph Daum hochgefahren. Und der FC Köln, das habe ich so ein bisschen gehört, war mit der B-Jugend im Endspiel. Und Wirtz war da auch ein überragender Spieler, da war die Aufmerksamkeit ja nicht so da, da war auch kein Vorvertrag da.

Und dann glaube ich, den Hauptverdienst daran hat Simon Rolfes, der Kontakte hatte in den Nachwuchsbereich, in den Jugendbereich, der dann den Jungen angesprochen hat. Da hat der Vater sehr klar deutlich gemacht hatte, die Bundesliga oder internationale Clubs hatten den ja da schon im Auge, der macht hier in Brauweiler – zehn Kilometer vor den Toren Kölns, zehn Kilometer vom FC, fünfzehn von Leverkusen weg – erst seine Schule, die Dinge gehen vor. Und das war für uns der Sechser im Lotto.

Somit war Leipzig aus dem Rennen, Bayern München aus dem Rennen. Die haben sich alle zu der Zeit schon für den interessiert. Nur der Vater, der auch so ein bisschen die Manager-Rolle spielt, hatte auch die klare Vaterrolle, und bestand darauf, der bleibt jetzt hier in Brauweiler bei uns wohnen und damit bestand die Chance nur für Leverkusen oder Köln. Wenn der FC Köln schon einen Vertrag mit ihm gemacht hätte, hätten wir überhaupt keine Chance gehabt. Das haben die aber verpennt.

Also hat Simon Rolfes als Manager, natürlich mit dem Papa und dem Sohn auch ein bisschen geschmeichelt, als höher stehender Bundesligaklub, so ein bisschen intensiver um den Jungen gekümmert. Ich will jetzt nicht alles erzählen, jetzt kommt die Schlussphase. Entscheidend. Der Junge machte danach die Tinte drunter, nicht der Papa. Dann ist aber dann Fernando Carro dabei gewesen, der Cheftrainer der Profimannschaft, der Rudi Völler und Simon Rolfes.

Die Zahlen waren dann sicherlich auch nicht unterentwickelt, aber ganz entscheidend, damals war noch so ein bisschen Corona, das kann ich jetzt nicht bestätigen, aber damals durfte die Jugend dann nicht trainieren, da hieß es, ab morgen trainierst du bei uns mit der Lizenz-Mannschaft. Bildlich wurde mir gesagt, hier ist deine Umkleide, direkt neben Kai Havertz.

Da gab’s dann die Kohle und die Perspektive, die dokumentiert dann der Cheftrainer, der Manager und letztendlich der Vorsitzende Fernando Carro und dann auch noch Rudi Völler. Dann ist so ein Junge und auch der Vater schon beeindruckt. Und spätestens, wenn sie dann auf sie Zahlen blicken, die waren sicher auch nicht unterentwickelt, war das Thema gebongt.

Das ist mein Blickwinkel, den aber auch ein paar andere bestätigt haben.”

Jetzt ist Florian Wirtz unverkäuflich, also für den Moment. Für die neue Saison ist das Statement klar. Aber Fernando Carro, den Sie ja öfters auch erwähnt haben, hat jetzt in einem Interview bei der ‘AS’ gesagt: Einen Spieler, einen hochkarätigen, werden wir verkaufen, das ist Fakt. Sie waren Manager, deshalb wissen Sie, wer käme da am besten in Frage?

Calmund: “Ich kann die sagen, die nicht in Frage kommen, da ist auch sicherlich der ganze Verein der Meinung. Im Moment wird das nicht Xhaka sein und auch nicht Wirtz sein. Das sind unverzichtbare Spieler für diese Mannschaft, für dieses System. Alles andere schauen wir mal.

Also wenn man im Februar sagt, man hat ein Schlüsselspiel, ist entweder fünf Punkte weg oder es ziehen die Münchner mit einem Punkt an einem vorbei und hat so viel Ausfälle, also Spieler beim Africa-Cup, dann weiß man, das man das auch verkraften kann, mit dem Kader.

Ich bin nicht mehr der entscheidende Mann, aber ich gehe mal davon aus, dass man die beiden jetzt mal für unverkäuflich erklärt.”

 

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von Wettbasis (@wettbasis_com)

Aber Palacios wäre dann ein Kandidat?

Calmund: “Mehrere.”

 

Reiner Calmunds Leverkusen-Elf aus 2002 & 2024

Jetzt ist noch das Triple möglich. Welche Argumente sprechen dafür, dass das funktioniert?

Reiner Calmund: “Man sollte keinen Gegner unterschätzen. Ich fang mal beim Pokalfinale an, das steht fest. Das ist das letzte Spiel. Damit kann man die Krönung der ganzen Saison in Berlin feiern. Aber es darf kein Gegner unterschätzt werden, das haben wir auch schon erlebt. Aber da sind sie natürlich Favorit.

Wie jetzt die ganze Kraft in der Europa League weitergeht oder wie man das dosiert, was da in den Köpfen verarbeitet wird, muss man abwarten. Man hat jetzt West Ham nicht nur 2:0 besiegt, sondern auch 33:1 aufs Tor geschossen und hatte dabei 70-75% Ballbesitz. Also das war noch deutlicher, als das Ergebnis. Aber wie gesagt, diese Woche spielt man noch bei den Jungs auf der Insel und da wird das schon wieder schwerer.

Ich kann mich an das Spiel in Freiburg erinnern. Freiburg ist eine gute Mannschaft, aber wir haben die regelrecht weggeputzt. Es ist jetzt ein bisschen die Belastung gefallen. Das war ja nicht nur toller Fußball, wir waren auch alle nervlich ein bisschen angeknockt, oder beschäftigt, sagen wir es so. Warten wir es ab. Für mich war ganz entscheidend, mal Meister zu werden. Mensch, wie oft sind wir Vizekusen geworden. Manche haben gedacht ich bin bekloppt, aber ich wollte erst dazu sprechen, wenn es auch rechnerisch fix steht.

Und am Sonntag stand es rechnerisch fest, dann sind auch alle Gefühle abgegangen. Da hätten wir fast überdreht. Also das war dann mein schönstes Fußball-Gefühl, was ich hatte, obwohl ich nicht mehr in der ersten Reihe der Verantwortlichen war, dass wir endlich mal diese Meisterschaft geholt haben. Wie war es denn mit den Kollegen in Schwarz-Gelb?

Es gibt ja nicht nur Unterhaching, wo wir eigentlich mit drei Punkte Vorsprung hinfahren, alle dicken Auswärtsspiele, damals war Hamburg überragend, gewinnen in Bremen und dann brauchte man da noch ein Unentschieden und unseren zwei überragenden Weltklasse-Spieler Emerson und Michael Ballack das Pech haben, das kannst du dann keinem erklären. Oder wenn ich letzte Saison Schwarz-Gelb sehe.”

 

Wer gewinnt die Europa League?

Ich war Zeitzeuge, ich war auch in Haching.

Calmund: “Dann wissen Sie ja, die haben dann noch Anton aus Tirol gespielt.”

Und Christoph Daum hat in den Arm seines 12-jährigen Sohnes geweint.

Calmund: “Ich kenne die Bilder und es war der Wahnsinn. Das muss man sich vorstellen, dass man vorher alles in Grund und Boden spielt und unversehens verloren, wir waren zwar ein bisschen optisch besser, aber wir haben nicht annähernd das gespielt, was wir spielen konnten. Und bei den drei Titeln und den dreimaligen Vize-Plätze zwei Jahre später sehe ich gerade Schwarz-Gelb.

Da hat uns Dortmund noch abgefangen, aber durch ein riesen Fehlentscheidung des Schiedsrichters, der hieß Fleischer. Aber ich war abends noch im ZDF und hab den sogar noch in Schutz genommen. Ganz kurz vor Schluss haben sie sich die zwei Punkte geholt, in der 89. oder 90. Minuten per Elfmeter, weil Jürgen Kohler ins Tor flog. Die haben in Köln gespielt, Kohler fliegt ins Tor rein, Elfmeter, Fleischer. Ich war abends beim ZDF, konnte aber sehen, es gab damals noch keinen Videobeweis, der Schiedsrichter stand vollkommen entgegengesetzt, weil der Ball von der Ecke kam, auf den langen Pfosten, wo alles gedrängt hat.

Die Kölner brauchten die Punkte zum Klassenerhalt, aber haben sie dann auch nicht geschafft. Für die Dortmunder war es die letzte Chance, noch Meister zu werden. Da war alles im Sechzehner drin. Und dann konnte der Fleischer, das sah man im Fernsehn, das alles nicht sehen, auch der Linienrichter nicht. Ich habe die an dem selben Abend in Schutz genommen, wenn du es nicht siehst, dann siehst du es nicht. Jürgen Kohler hat mir persönlich dann gesagt, er war der Meinung, dass ein Kölner ihn da reingehaun hat. Ihn hat einer geschubst und er hat gedacht, es war ein Kölner, war aber der eigene Mitspieler.

Amoroso hat dann dicke Nerven behalten und das Ding versenkt. Also auch diese drei Vizemeisterschaften waren dann bitter, wenn nicht sogar der Wahnsinn. Bayern München wurde Dritter, wir Zweiter, auch unter anderem durch so eine Aktion. Wenn man dann sieht noch, da kurz danach, dann noch mal in der Champions League, da haben wir in der ersten Gruppenphase ganz klar Barcelona weggeputzt.

Da gab es noch zwei Gruppenphasen, da hatten wir in der Gruppe drin Juventus Turin, die wurden genau 2002 Italienischer Meister, Arsenal London, die wurden genau 2002 Englischer Meister, die schieden aus auf Platz drei und vier. Dann haben wir das Viertelfinale in Liverpool gewonnen, Halbfinale gegen Manchester United und im Endspiel 2:1 gegen Real Madrid verloren.

Sehr, sehr unglücklich und das war auch die Geburtsstunde von Casillas. Der kam kurz nach der Halbzeit rein und wir haben gedacht, jetzt ist der Torwart ausgefallen, Gott sei Dank. Und dann hielt der alles.”

Wer von dem Team damals, 2002, würde denn heute Stammspieler sein?

Calmund: “Also bei aller Euphorie, aber Stammspieler wäre sicherlich, ganz klar, unumstritten Xhaka als zentraler Mittelfeldspieler.”

Und von den 2002ern heute? Wäre Ballack Stammspieler?

Reiner Calmund: “Wir haben ja zum 100-jährigen Geburtstag auch eine Jahrhundertelf gekürt und da lag ich mit den Fans, bis auf einen Spieler, gleich. Also bei mir hinten rechts Jorginho unverrückbar, auch bei allem Jubel jetzt. Die Innenverteidigung mit Lucio und Nowotny war absolute Weltklasse. Ich würde jetzt auf links unseren kleinen Portugiesen nehmen, mit dem linken Pfötchen, mit dem Einkauf ein sehr, sehr, sehr wichtiger Spieler, sehr wichtige Pässe gespielt, sehr wichtige Tore geschossen.

Der käme aus der aktuellen Mannschaft rein und dann im Mittelfeld habe ich klar gesagt Xhaka, aber rechts spielt Schneider im Mittelfeld, unverrückbar. Und Emerson und Ballack, vielleicht noch Ze Roberto, da kann man drüber diskutieren.

Im Sturm wäre vorne Kirsten und der hängende Florian Wirtz. Damit war ich jetzt auch bei aller Jubelstimmung bei drei festen Nominierungen. Vielleicht der Torwart noch.”

Dann sind wir aber noch mal beim Trainer. Toppmöller war damals Coach, der ist immer Vollgas von Rivenich nach Leverkusen gefahren, Bleifuß. Würde der heute auch noch diese Qualität haben, würde der für Sie eine Alternative sein? Wo auch immer.

Calmund: “Wir hatten viele gute Trainer. Toppmöller kam sehr gut zurecht mit den Jungs. Der hat das sehr klug gemacht und war ja auch sehr erfolgreich. Auch Christoph Daum, da müsste ich jetzt alle Trainer durchgehen. Mich hat Berti Vogts angerufen, mich hat Erich Ribbeck angerufen, auch Stepi hat mich angerufen. Wir haben alle telefoniert danach auch mit den Trainern.

Ich hatte nicht den Eindruck, dass einer jetzt eifersüchtig auf Alonso war. Also Daum war bei uns besonders dominant. Aber ich muss sagen, jetzt, was die das ganze Spiel angeht und die ganze Aussagen und natürlich mit der Deutschen Meisterschaft, steht der da natürlich an erster Stelle. Das hat überhaupt nichts mit beispielsweise dem Daum seiner Qualität zu tun. Ich will jetzt nicht alle Trainer durchgehen, der hat bei uns noch für die Qualifikation zur Champions League in schwierigen Situation gesorgt.

Also das möchte ich nicht. Alonso ist, ich habe es vorhin gesagt, ist der König nicht nur von Bayer Leverkusen, auch von der Bundesliga. Das war außergewöhnlich, mit welcher Dominanz die Mannschaft gespielt hat. Nicht nur schön, sondern auch zweckmäßig. Das war schon eine besondere Klasse. Wir haben damals auch tolle Spiele gemacht, aber vielleicht das Quäntchen Glück nicht gehabt. Aber die haben es jetzt gewonnen.

Sie haben souverän die Deutsche Meisterschaft gewonnen und das war mir jetzt auch wichtiger, wie jetzt die noch anstehenden Europa League Spiele oder auch das DFB-Pokalfinale. Natürlich, wenn wir jetzt in Berlin mit Frau und Kind sind, dann will ich, dass sie den Pott auch noch holen. Aber warten wir’s ab. Das was sie dieses Jahr auf die Beine gestellt haben, ist nicht zu toppen.”

Die Kommunikation haben Sie angesprochen. Auf welcher Sprache wird denn da überhaupt kommuniziert? Englisch oder spanisch mit Übersetzung?

Calmund: “Ich war zwar nach dem Spiel in der Kabine, da habe ich auch dann den jüngsten Enkel mitgenommen, der auch vernarrter Fußballfan ist von Bayer 04, dem es mit dem ältesten Enkel mittlerweile auch gelungen ist die Mama, also meine älteste Tochter, auch auf den Kurs zu bringen.

Die war nämlich früher sehr für den Effzeh. Ich war für Leverkusen.”

Was ist denn da schief gelaufen?

Calmund: “Ja, ich komme da her. Ich habe die ersten deutschen Meisterschaften mit Köln als kleiner Junge erlebt. Da war ich am Geißbockheim und mein Lieblingsverein war eigentlich immer Schalke, die waren ja damals die Schalker, die Bergarbeiter und so, das war so ein Thema.

Dann kam der FC, der war auch einer meiner großen Lieblingsverein. Und meine älteren Kinder, die waren dann mehr FC Fans. Also wenn bei uns, so bis vor zehn Jahren, Effzeh gegen Bayer Leverkusen war, war das so ein bisschen Lokalkampf bei uns in der Familie.

Aber die Enkel sind ganz, ganz eingefleischte Bayer 04 Fans, sind auch Jahreskarten-Besitzer und gehen regelmäßig zum Spiel. Ich habe jetzt auch den Kleinen mit in die Kabine genommen, das war natürlich wie Geburtstag, Weihnachten, Ostern, Hochzeit, alles an einem Tag. Da gab’s dann auch ein paar Fotos mit Xhaka, mit Alonso, mit Wirtz und Co. Sowas kann der an allen Feiertagen in fünf Jahren nicht bekommen.”

Was wurde da gesprochen, welche Sprache?

Calmund: “Eher englisch, aber es war ja Jubelstimmung, da wurde nicht viel gesprochen. Aber die Kommunikation stimmt ja, das sieht man ja bei den Spielern, bei der Mannschaft, wie jedes Rädchen in Rädchen ineinander läuft.

Wenn es aber bei Xabi Alonso eine feste Hauptsprache gibt, dann ist es Deutsch oder Englisch, würde ich sagen.”

 

Calmund über Kölner Transfersperre: “Nicht nachvollziehbar”

Jetzt haben Sie den FC Köln angesprochen, das ist ja auch noch ein Thema, was in der Bundesliga richtig spannend ist. Rettet sich der FC und warum?

Reiner Calmund: “Also ich drücke ihnen natürlich die Daumen und muss jetzt mal über die Relegation nachdenken. Aber ich muss sagen, es ist bitter für die Kölner. Ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte mit dieser Strafe. Ich halte auch die Höhe der Strafe – aus der Distanz, ich kenne keine Unterlagen – für nicht nachvollziehbar. Also nehmen wir an, sie retten sich dann ist es okay, aber wenn sie sich nicht retten, ist es noch schlimmer in der 2. Liga.

Also ein Transfer-Verbot über zwei Perioden, das war jetzt in der Winterpause so und jetzt im Sommer nochmal. Man stelle sich vor sie steigen ab, der eine oder andere Spieler hat dann die Möglichkeit zu wechseln. Der Verein wird den ein oder andere verkaufen müssen, weil dann auch Geld fehlt. So, und dann darf man keinen Neuen kaufen, auch kein Schnäppchen machen am Transfermarkt. Was ich so weiß, ging es um einen jungen Spieler, auch wenn das jetzt ein Vergehen war, dann kann man das bestrafen mit einer Geldstrafe, vielleicht mit einer Transferperiode, aber mit zwei?

Die zweite greift ja total auf die kommende Saison und macht es dann noch schlimmer. Wenn sie absteigen würden in die 2. Liga und können auf dem Transfermarkt nicht tätig werden. Ich würde jetzt an erster Stelle noch mal alles versuchen. Das Thema ist ja, dass die Rechtskammer der FIFA das so entschieden und dann das internationale Sportgericht. Ich würde noch mal alles versuchen, ich weiß ja nicht, ob es eine Chance gibt, aber das ist für mich das große Schwert, das da auch noch oben drüber schwebt.”

Am Sonntag dann das nächste Spiel, Dortmund gegen Leverkusen. Erwarten Sie, dass Leverkusen ungeschlagen bleibt und weiter die Serie ausbaut?

Calmund: “Das ist eine tolle Serie, aber ich erwarte das jetzt nicht. Wenn es klappt, ist es schön, aber man muss auch sagen, das sind auch alles nur Menschen. Englische Woche auf Englische Woche. Wir warten ab, wie das Spiel läuft. Und die Dortmunder werden auch sagen, jetzt sind wir im CL-Halbfinale. Da muss man auch mal gratulieren.

Toll, wie das Terzic mit dem ganzen Trainerteam, mit Kehl und so, auch mit den jungen Leuten, die da jetzt in dem Halbfinale stehen. Denen drücke ich dann natürlich im kommenden Spiel auch alle Daumen. Die spielen ja jetzt nicht gegen Bayer Leverkusen, sondern für die Schwarz-Gelben.

Man weiß auch jetzt nicht, wie die Mannschaft nach so einem wichtigen Befreiungsschlag reagiert, wenn man im Halbfinale der Champions League steht. Das kann eine Auswirkung haben. Aber der Fokus liegt jetzt auf dem Halbfinale. Man kann’s nicht vorhersehen, also lassen wir uns überraschen.”

In diesem Sommer steht ein wunderbares Turnier an. Hier in Deutschland die Europameisterschaft. Welche Chancen hat Deutschland?

Reiner Calmund: “Ich bin natürlich deutscher Fußballfan, auch insbesondere der Nationalmannschaft. Immer, auch wenn es mal nicht läuft. Ich zähle nicht zu denen, die nur dann jubeln wenn wir Weltmeister oder Europameister werden, oder zumindest gut gespielt haben. Sondern ich bin auch deutscher Fan, wenn es nicht läuft.

Da ärgere ich mich dann auch mal, das ist ja auch normal, wie das bei einer Vereinsmannschaft ist. Aber ich habe das Gefühl, dass wir auf einer guten Linie sind, auch nach den letzten beiden Spielen. Ich halte Nagelsmann – ganz grundsätzlich, das war auch bei Bayern München so – für einer unserer besten Trainer. Diese Auffassung vertreten sehr viele die ihn kennen, also nicht nur Uli Hoeneß oder Rudi Völler, und ich persönlich sehe das auch so, sehe die Position gut besetzt.

Und ich sehe auch die Gruppenphase, man darf da niemanden unterschätzen. Wenn man sich an Brasilien erinnert, haben sie die Portugiesen mit Ronaldo mal eben 4:0 weggeputzt, und nachher hatte man trotzdem, gegen kleine Nationen, bevor es den hohen Sieg gegen Brasilien gab, selber so einige Probleme.”

 

EM Favoriten im Check

Algerien lässt Grüßen.

Calmund: “Ganz genau. Da ging es über 120 Minuten. Also ich war beim ersten Spiel noch live dabei. Die Euphorie war nicht zu bremsen, das muss man sagen. In Brasilien fielen dann noch zwei, drei Leute aus, irgendwann spielt dann der Fußballgott bei einem mit.

Das sollte man alles nicht als Maßstab nehmen, aber ich bin der Auffassung, dass auch gerade unter Nagelsmann etwas möglich ist, in der Kombination mit Rudi Völler, der ja auch lange Nationalspieler war, der alle Höhen und Tiefen miterlebt hat. Der wirklich ein guter, annehmbarer, vertretbarer Sportdirektor ist, nicht nur für die Medien, nicht nur für die Vereine, auch für Julian Nagelsmann. Er wird unwahrscheinlich geschätzt, auch Julian Nagelsmann, der ja einen langfristigen Vertrag bei Bayern München hatte, auch nicht so ganz schlecht vergütet, dass er dann den Vertrag aufgelöst hat.

Das zeigt, dass er an sich glaubt. Das war natürlich die Voraussetzung für die Nationalmannschaft. Wie das dann weiter weitergeht, auch die Bayern haben sind nochmal für ihn interessiert, aber das ist für mich eine optimale Lösung.”

Also was sagen Sie, wo landet Deutschland?

Calmund: “Das kann man nicht sagen. Ich hoffe, wir landen im Endspiel und hoffe wir werden Europameister, nur das wäre jetzt ein bisschen vermessen. Wenn ich sage, ich hoffe darauf, oder es ist nicht unmöglich, dann würde das alles beinhalten.

Ansonsten gibt es natürlich Frankreich oder England, ich will jetzt nicht alle aufzählen. Für mich ist nur wichtig, wie verläuft so eine Europameisterschaft, man muss erst mal immer die Gruppe schaffen. Das müsste eigentlich drin sein, aber erst schaffen. Und wenn man das schafft, dann entsteht in Deutschland eine große Euphorie.”

Herr Calmund, Calli, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen.

Reiner Calmund: “Sehr gerne, hat Spaß gemacht. Alles Gute.”

Interview: Carsten Fuß

 

Weitere Sportwetten News
 

Passend zu diesem Artikel:

Philipp Stottan

Philipp Stottan

Alter: 30 Nationalität: Österreich Lieblings-Wettanbieter: Bet-at-home, Bet365

Das Thema Sport und all seine Facetten begleiten Philipp seit er denken kann, zu Uni-Zeiten kamen dann auch die Sportwetten hinzu. Nach diversen Stationen im Journalismus entschied er sich dann dazu, seiner Wett-Leidenschaft auch beruflich nachzugehen. Vor allem in den Bereichen Fußball sowie US- und Kampfsport, kann man sich auf seine angesammelte Expertise verlassen.   Mehr lesen