Als aktiver Profi stürmte Thomas Brdaric unter anderem für Hannover 96, Wolfsburg, Düsseldorf oder Bayer Leverkusen, wo er Teil der Vizekusen-Saison war.
Obendrein musste er als Sport-Invalide seine Karriere frühzeitig beenden und dachte anfang, er könnte dadurch nicht einmal als Trainer arbeiten. Heutzutage ist er als Trainer im Ausland erfolgreich.
Im ausführlichen, privaten Interview plaudert Thomas Brdaric über den Vizekusen-Einbruch, wie Xabi Alonso sein Bayer-Herz gerettet hat, einen legendären Kabinen-Streit von Christoph Daum oder die vielen Fettnäpfchen von Berti Vogts. Weiters kürt er seinen liebsten Mitspieler, Trainer und auch schwersten Gegenspieler. Er erklärt seine „strange“ Zeit unter Peter Neururer, „Mobbing“ unter Thomas Strunz und wieso ihm beim legendären 4:4-Interview eine Falle gestellt wurde.
Thomas Brdaric über Vizekusen-Einbruch: „War ein schleichender Prozess“
Wettbasis: Ein besonderer Anlass heute. 50 Jahre ist Thomas Bradric alt geworden. Es ist jetzt schon ein paar Tage her. Wir begrüßen Thomas Brdaric in Albanien.
Thomas Brdaric: „Ja, einen wunderschönen guten Morgen und vielen Dank für die Geburtstagswünsche. Freue mich sehr.“
Sie sind ehemaliger Nationalspieler, Du hast ganz viel erlebt in deiner Karriere. Jetzt bist du aktuell in Albanien. Erklär uns doch mal gerade, was du tust.
Brdaric: „Ja, ich bin Trainer bei Vllaznia. Erste Liga in Albanien, wir spielen in der Super League. Und ja, wir haben am Freitag unser letztes Spiel gewonnen und sind in Tuchfühlung zu Tabellenposition Eins. Es macht mir unheimlich viel Spaß. Ein Mix von Entwicklungsarbeit und von ganz hohen Zielen.
Ja, diesen Spagat muss man erst mal hinbekommen. Talente zu fördern, zu entwickeln und dabei dann auf Titel zu schauen und sie am besten dann zu erreichen. Das ist die Herausforderung, die ich hier in Albanien bei Vllaznia habe.“
Die albanische Nationalmannschaft hatte ja eine Zeit lang sehr gut performt. Dann, bei der Europameisterschaft, war es nicht ganz so toll. Wie würden Sie den albanischen Fußball denn aktuell einschätzen?
Brdaric: „Hochinteressant. Viele interessante Spieler, man darf halt einfach gewisse Dinge nicht vergessen, die allgegenwärtig sind hier, mit den schwierigen Bedingungen die fast jeder Trainer hat und dabei gleichzeitig hohe Erwartungshaltungen von den Klubpräsidenten. Man muss auch immer unterscheiden zur albanischen Nationalmannschaft, die gespickt ist mit internationalen Stars – vielleicht nicht auf der Ebene Bundesliga oder Premier League.
Man merkt halt einfach, dass Potenzial da ist. Aber manchmal wird Albanien ein Stück weit unterschätzt. Aufgrund der Liga, die sich so noch nicht durchgesetzt hat im europäischen Fußball.“
Sie werden weiter für Furore sorgen. Ziel ist, unter die ersten Vier zu kommen mit ihrem Klub?
Brdaric: „Genau. Wir sind aktuell auf Kurs und es kristallisieren sich vier Mannschaften im Moment heraus, die das Final Four erreichen könnten. Aber es ist noch ein langer Weg. Deswegen müssen wir immer wieder Punkte sammeln. Natürlich ist das Ziel, immer ganz vorne zu stehen, jedes Spiel zu gewinnen. Das ist ein ganz tolles Ziel, was man hat.
Manchmal wird es gekreuzt durch Performances wie letzte Woche gegen Egnatia [1:3, Anm.], wo wir sehr gut gespielt, aber leider kein Tor geschossen haben. Und dann musst du dich wieder neu aufstellen und dich dann auf das nächste Spiel konzentrieren. Das haben wir geschafft. Und unter den ersten Vier zu sein ist zwar schon eine Leistung, aber dann am am Ende des Tages musst du im Final Four liefern.
Und diese Final Four sind im Mai, wie das Pokalfinale, und für das wollen wir uns perfekt vorbereiten.“
Markant für Sie persönlich war natürlich die Saison 2001/02. Das war wohl für einen Verein die traumatischste Saison, die man sich so vorstellen kann, Vizekusen. Ist das so gewesen, dass diese Misserfolge am Ende dann die Stimmung so zerstört haben, dass die nächste Saison ja praktisch komplett in die Hose ging?
Brdaric: „Ja, also ich schaue mit einem lächelnden Auge in die Zeit zurück natürlich, aber auch mit einem traurigen Auge. Ist ja normal. Wenn du bei Bayer Leverkusen spielst, auf höchstem Niveau spielen darfst, diese Bedingungen hast, dann ist es immer das Ziel, Titel zu holen.
Wir waren sehr, sehr knapp dran. Es war alles sehr eng und es ist natürlich schon sehr, sehr lange her. Aber ich bin stolz, ein Teil von Bayer gewesen zu sein, aber auch immer noch ein Teil von Bayer Leverkusen aktuell zu sein. Bei der Traditionsmannschaft noch dabei zu sein und einen engen Draht zu Bayer zu haben und auch immer wieder aktuelle Fragen beantworten zu können. Weil ich halt den Kontakt halte zu Bayer Leverkusen, aufgrund der der damaligen Zeit.
Da ist ein absolutes Privileg, macht unheimlich viel Spaß. Die Entwicklung von Bayer Leverkusen mitzuverfolgen und damals lag es einfach an Nuancen und natürlich die Zeit heilt Wunden. Bayer Leverkusen hat daraus gelernt, aber nichtsdestotrotz haben wir um Meisterschaften gespielt. Wir haben um Titel gespielt. Und welche Mannschaft kann das schon in der Bundesliga von sich behaupten? Und wenn du halt dran bleibst, wenn du nie aufgibst, wenn du aus seinen Fehlern lernst, dann wirst du irgendwann auch belohnt.“
Aber es war ja schon auch ein Trauma für Sie und das Team. Drei Ziele, die ganz nah waren, die zum Greifen nah waren, nicht zu bekommen.
Brdaric: „Um es kurz zu fassen: Trauma ist ein Wort, das Negativität mit sich bringt. Und ich sehe da in keinster Weise eine gewisse Negativität, sondern ich sehe das als Coach, als Mensch, der im Profifußball schon sehr lange dabei ist. Man gewinnt oder man lernt aus seinen seine Erfahrung. Und wer das nicht schafft, der kann im Profifußball nicht arbeiten.
Und da brauchst du ein starkes Mindset. Ja, ich weiß, was Sie meinen und das sind Traumagefühle. Das sind Momente, die dich auf den Boden werfen. Aber du musst ein Stehaufmännchen sein. Du musst schnell wieder aufstehen und aus deinen negativen Erfahrungen sehr schnell lernen, um es beim nächsten Mal besser zu machen.
Und natürlich hat es gewisse Einflüsse und Impact, wie man so schön sagt, in der damaligen Zeit gegeben. Aber es war zwar trotzdem eine sehr, sehr schöne Zeit, die ich nicht missen möchte.“
Ihr hattet am vorletzten Spieltag die Meisterschaft sozusagen verloren. War das dann so, dass ihr gebrochen oder zumindest angeschlagen in die zwei Finalspiele gegangen seid, dann im Pokal und in der Champions League?
Brdaric: „Also, um möglichst detailliert nochmal an damals ranzugehen: Es war, finde ich, ein gewisser schleichender Prozess. Also es war nicht eine Niederlage, sondern das sind so einige Dinge passiert 2001/02. Wir sind ja sehr gut gestartet, hatten einen super Lauf, waren Erster und man ist so im Flow drinnen. Aber dann schleichen sich so Sachen ein, wie unnötige Verletzungen, Kreuzbandriss Jens Nowotny, ich hatte eine Cortisonspritze bekommen, durfte die letzten vier Wochen nicht dabei sein. Nationalmannschaft ist mir dadurch auch flöten gegangen.
Also ich würde jetzt nicht sagen, dass wegen Jens und wegen mir die Titel nicht eingefahren worden sind, aber wir waren halt voll im Team drinnen, integriert, waren auf höchstem Level. Ich weiß selber wie schwierig das ist, wenn so zwei Spieler in einem funktionierenden Team ausfallen. Wenn sich, wie man so schön sagt, die Zahnräder nicht mehr verhaken, die das Werk dann nicht mehr rund laufen lassen. Das hat uns ein Stück weit am Ende des Tages gefehlt.
Wir haben trotzdem einen starken Kader gehabt. Wir haben sind immer mit einer Topmannschaft aufgelaufen. Am Ende des Tages hat uns das Glück gefehlt und dann sind wir in die Finalspiele reingegangen. Und da hat uns definitiv das Glück gefehlt. Haben gute Leistungen gezeigt, haben auch performt. Aber eines Tages ist es halt dann nicht gut genug gewesen, um Titel einzufahren.“
Für Sie und für Bayer war dann das Double letzte Saison eine Art Erlösung. Würdest du das so unterschreiben?
Brdaric: „Ja, definitiv. Eine Erlösung für uns alle, die das Bayer-Kreuz im Herzen tragen und denen der Verein sehr viel gegeben hat. Ich hab das ganz nah miterlebt. Ich war mit meiner Familie dabei bei ganz vielen Spielen, zwischen meinen Trainerstationen in Indien, Kuwait oder Albanien.
Wobei ich auch bei dem einen oder anderen Spiel in Deutschland war, habe das mitverfolgt und wurde eingeladen von Bayer. Und ich hatte wirklich Gänsehaut, als der Moment eintraf und die Mannschaft von Xabi Alonso dann den Titel gewonnen hat, aber auch den Pokalsieg eingefahren hat. Da ist schon ein Stück weit auch ein ganz schwerer Brocken vom Herzen gefallen.“
Bei welchem Verein hatten Sie die schönste Zeit und warum?
Brdaric: „Als Fußballer hast du eine wunderschöne Zeit, weil es ein absolutes Privileg ist, auf einem ganz hohen Niveau Fußball spielen zu dürfen und liefern zu wollen. Das ist ja das Ziel. Und ich habe aus jeder Station vieles mitgenommen.
Als Jungprofi beim VfB Stuttgart angefangen, über Fortuna Düsseldorf meine Lehren gezogen. Unter Alex Ristic, diesem sehr erfahrenen Trainer der noch aus der alten Generation stammt, von Ernst Happel noch gelernt hat. Dann über Fortuna Köln, immer so ein bisschen unterschätzt der Verein, weil nie in Liga eins gewesen. Mit Jean Löring einen Top Präsidenten gehabt, auch Top Trainer gehabt mit Toni Schumacher, Bernd Schuster und Jürgen Gelsdorf. Ja dort dann meine Erfahrung gesammelt als junger Spieler und bin dann von dieser Kategorie in die höchste Kategorie gekommen, zu Bayer Leverkusen.
Ich hätte vielleicht den einen oder anderen Sprung dazwischen machen sollen, bin dann aber trotzdem gleich bei Bayer Leverkusen angekommen. Als Stürmer kriegst du deine Chancen, ich habe sie gemacht und war dann auf einmal ein wichtiger Teil bei Leverkusen, über vier Jahre. Und ich sag mal, wenn du vier Jahre lang Champions League spielen darfst als Spieler, dann ist das ein absolutes Privileg, ist was Besonderes.
Da habe ich natürlich meine größten Erfahrungen gemacht. Aber als Spieler selber bin ich in Hannover und Wolfsburg gereift und bin dort absoluter Stammspieler gewesen, bin auch nochmal zurück in die Nationalmannschaft gekommen, bis ich mich dann leider 2007/08 verletzt habe und meine Karriere beenden musste.“
Thomas Brdaric: „Mein Ziel war immer die Premier League“
Sie haben ja als Trainer viel im Ausland gearbeitet, als Spieler nie. Sie haben ihre Stationen jetzt gerade noch illustriert. Haben Sie auf irgendeinen Verein im Ausland spekuliert oder insgeheim gehofft?
Brdaric: „Ich hatte ja immer das Ziel, als Fußballprofi in der Premier League zu spielen, was ich nicht geschafft habe, weil ich mich dann abrupt verletzt habe.
Als Trainer war ich mehr im Ausland unterwegs, hatte aber meine Erfahrung in der Regionalliga gemacht in Deutschland, wo es unheimlich schwierig ist zu arbeiten. Ich hatte die Möglichkeit, in die dritte Liga und die zweite Liga zu wechseln, hat aus bestimmten Gründen nicht funktioniert und bin dann ins Ausland gegangen. Ich bereue überhaupt nicht, dass ich ins Ausland gegangen bin.
Ich war erfolgreich, bin erfolgreich im Ausland und die Tür ist nicht zu nach Deutschland, es muss einfach nur das Timing stimmen. Es muss der passende Klub dabei sein. Man muss ambitioniert sein. Genauso wie ich und ich bin mir sicher, dass das eines Tages funktionieren wird, nochmal nach Deutschland zurückzukehren und im Profifußball zu arbeiten, da bin ich sehr, sehr positiv.“
Also Premier League wäre so ihr Ding gewesen?
Brdaric: „Ja, ich war ja ein sehr schneller Konter-Spieler, was in der Premier League häufig auch gesucht wurde, damals und heute immer noch, wenn auch immer rar gesäter. Stürmer, die in die Tiefe gehen und Unterzahl ausspielen können, das hat mich ja damals ausgezeichnet.
Deswegen war ich auch ein Kandidat bei zahlreichen interessanten und für mich wichtigen Vereinen in England. Auch Championship damals war sehr, sehr interessant, aber hat wie gesagt aus gewissen Gründen nicht funktioniert. Ich will jetzt nicht sagen, dass Premier League ein großes Ziel ist für mich als Trainer. Es gibt unheimlich interessante Märkte, da musst du erst mal reinkommen, deinen Fuß dazwischen bekommen.
Daran arbeiten wir, aber nicht mit dem Mund, sondern mit meinen Leistungen als Trainer, mit guten Resultaten, vielleicht auch mit Titeln. Und damit möchte ich glänzen.“
Sie haben mit vielen überragenden Fußballern gespielt. Wer war denn der Beste?
Brdaric: „Diese Frage ist sehr, sehr gemein..“
Normal sagt man dann ja ‚Ich habe mit sehr vielen guten gespielt, aber der einen hatte noch einen Tick mehr drauf‘.
Thomas Brdaric: „Das muss aber auch eingrenzen auf welcher Position?“ (lacht)
Das wird dann zu wissenschaftlich. Man könnte sagen Schnix, also Bern Schneider, war immer überragend, aber Sie haben ja vielleicht andere Meinung.
Brdaric: „Ja, also Bernd war ein glänzender Fußballer und es war ein Privileg, mit ihm zusammen zu spielen, von ihm Bälle zu bekommen, in die Räume gespielt zu bekommen. Genauso wie Yildiray Bastürk als Beispiel, der ein absoluter Teamplayer war, der auch seine Leistung über mehrere Jahre gezeigt hat.
Also man kann mal die Champions League Mannschaft von Bayer Leverkusen betrachten, mit wem ich da alles zusammen gespielt habe, mit Berbatov oder Ze Roberto, um einige zu nennen. Für mich war ein ganz großer Spieler Jens Nowotny, von dem ich sehr viel gelernt habe, als Leader auf den Platz zu gehen und eine Mannschaft zu führen. Kalle Ramelow auch ein Beispiel.
Ja, es sind viele Spieler dabei gewesen, die für mich ausschlaggebend waren, von denen ich unheimlich viel gelernt habe.“
Und wer war dein unangenehmster Gegenspieler?
Brdaric: „Unangenehmster Gegenspieler, muss ich ein Stück weit sagen Robert Kovac. Jens hat das immer bisschen cleverer gelöst mit einem guten Tackling. Robert war immer ein Spieler, der – wie man so schön sagt – an der Kante zur Roten Karte gespielt hat, mit seinen hochgestellten Ellenbogen.
Denen musste man im Training immer wieder ausweichen. Da hat er sich den Respekt geholt. Aber in der heutigen Zeit ist das eigentlich unmöglich, mit hochgestellten Ellbogen permanent durch die Gegend zu laufen, das ist heute mit dem VAR nicht mehr möglich. Damals gab es den VAR nicht und das hat er natürlich sehr, sehr clever genutzt.
Ein toller Spieler, Robert Kovac, der von vielen Stürmern gefürchtet worden ist.“
Brdaric über Daums Streit: „Ging minutenlang hin und her“
Jetzt haben Sie natürlich auch mit illustren Charakteren in der Kabine zusammengesessen. Was waren denn so die lustigsten Geschichten in der Kabine?
Brdaric: „Die lustigste Kabinen-Story fällt mir jetzt mal ganz spontan ein, da waren wir bei Bayer Leverkusen und da gab es Zank zwischen Andreas „Zecke“ Neuendorf und Christoph Daum. Da ging es wirklich heiß her, da flogen die Fetzen. Wir haben uns in der Spielerkabine nur mit großen Augen angeschaut. Da ging es wirklich um Dinge, die du eigentlich so als Spieler nicht hören möchtest in der Kabine und um Details, die jetzt hier zu verraten, das würde den Rahmen sprengen.
Zeit gibt es genug und Christoph Daum wird es Ihnen auch verzeihen.
Brdaric: „Christoph wird es auf jeden Fall verzeihen, der hat die eine oder andere Geschichte gehabt in seinem Leben, die er bereut oder aber auch nicht bereut. Und Zecke Neuendorf ist ja jetzt auch bei Hertha BSC in einer Führungsposition und er wird wahrscheinlich auch darüber schmunzeln, wenn er die Geschichte noch erzählen müsste.
Ja, da ging es darum, warum Zecke Neuendorf halt einfach nicht berücksichtigt wird im Kader von Leverkusen. Und dann wollte er seinem Unmut kund tun. Und das war halt dann in der Kabine legendär. Und dabei möchte ich das auch belassen.“
Wer ist dann eingeschritten? Gab es da einen Friedensrichter in der Kabine?
Brdaric: „Nee, das ging deswegen wirklich minutenlang hin und her. Das war wie ein Boxkampf und ohne, dass mal Blut geflossen ist. Aber in den Adern, da war schon ziemlich viel Adrenalin dahinter.“
Und wer war Punktsieger?
Brdaric: „Ich glaube, in so einer Auseinandersetzung gibt es keinen, da verlieren immer beide Parteien, weil das möchtest du eigentlich meiden als Trainer, so eine Diskussion mit einem Spieler.“
Sie haben ja unter vielen Trainern gearbeitet: Vogts, Schumacher, Daum, Völler, Toppmöller. Was war denn da die irrste Geschichte mit einem Trainer?
Brdaric: „Da gibt es natürlich auch viele. Aber die irrste Geschichte war – also ich habe großen Respekt vor Berti Vogts, vor seine Leistungen als Nationaltrainer, auch als Fußballkenner – und Berti kam 2000 nach Daums Geschichte nach Leverkusen und ich kann mich erinnern, als ich bei Fortuna Düsseldorf gespielt hatte, hat er mich damals als eines der größten Talente Deutschlands bezeichnet.
Und dann kam er nach Leverkusen, in einer Nacht- und Nebelaktion wurde er installiert. Und ich hatte unter Rudi Völler einige Spiele von Beginn an gespielt und war sehr erfolgreich. Es gab also keinen Grund, mit mir oder in der Mannschaftsformation was zu wechseln. Ja, und dann erstes Spiel in Freiburg im Breisgau, gab es Mannschafts-Besprechung und dann war ich nicht unter den ersten Elf. Okay, kein Problem, hab mich nicht beschwert. Dann kam ich in die Kabine und dann habe ich noch nicht mal meine Klamotten gesehen.
Dann habe ich unseren Zeugwart gefragt ‚Du Harry, wo sind meine Klamotten?‘. Und dann dreht sich Berti um und sagte ‚Oh, habe ich gar nicht gesagt, du bist heute gar nicht im Kader‘. Und ich so okay, alles klar, danke für die Information und bin rausgestolpert. Okay, das war jetzt nicht die feine Art und Weise und das fand ich sehr, sehr schade, hat sich irgendwann mal wieder reguliert.
Hab dann auch wieder gespielt, aber das war eine sehr, sehr merkwürdige Situation, die ich so auch noch nie erlebt habe als Spieler.“
Thomas Brdaric über Berti Vogts: „Sowas habe ich noch nie erlebt“
Berti Vogts hat sich dann als Trainer von Bayer Leverkusen auf die Tribüne gesetzt. Die Bild titelte damals der „Tribünenadler“.
Brdaric: „Das ist ja das, was ich meine. Berti, ganz großer Fußball-Fachmann. Aber man muss halt einfach unterscheiden zwischen Bundesliga-Trainer oder Nationaltrainer, die Art und Weise muss man immer wieder mal ein bisschen reflektieren.
Ich reflektiere ja auch als Trainer und versuche, Fehler zu meiden oder nicht in Fettnäpfchen zu treten. Da ist Berti halt ab und zu mal in so ein Fettnäpfchen getreten, was er vielleicht hätte vermeiden können. Als Nationaltrainer hat er natürlich einen gewissen Stellenwert, wie er seine Kader zusammengestellt hat, glich so ein bisschen einem Staatsgeheimnis.
Und er hat auch Besprechungen gemacht, wo er dann quasi auf dem Podium saß und den Mannschaftskader fürs dieses Spiel nominiert hat. Das fanden wir auch alle sehr, sehr amüsant. Spätestens dann, als er dann auf der Tribüne saß, da oben und dann von oben sich das Ganze angeguckt hat. Aber jeder hat seine Art und Weise, seine Maßnahmen und das muss man auch irgendwo dann letztenendes auch respektieren und akzeptieren.“
Was heißt auf dem Podium? Gab es einen Hörsaal und dann hat er den Kader verkündet?
Brdaric: „Ja, genau, wie auf einer Pressekonferenz. Da saßen dann alle Trainer, die er mitgebracht hat, von Toni Schumacher über Pierre Littbarski, Wolfgang Rolf. Und dann war noch ein Torwarttrainer dabei. Die saßen alle wie so Vögelchen auf der Stange und haben uns dann quasi den Kader vorgegeben.
Christoph Daum und Roland Koch, die haben es ganz einfach gemacht mit einer Liste, die haben sie in die Kabine gehängt, wie es eigentlich 99% aller Trainer machen. Und dann siehst du, ob du im Kader bist oder nicht. Und die haben da eine Konferenz draus gemacht und wollten dann auch immer wieder erklären, warum Spieler im Kader sind und warum nicht. Das willst du als Spieler gar nicht hören, weil du dich aufs Spiel konzentrieren möchtest.
Und wenn du nicht dabei bist, dann wirst du vielleicht irgendwie das Gespräch suchen. Das sind so Begleitthemen, die du als Trainer immer wieder mit dir führst, musst immer wieder positive, aber auch negative Gespräche führen. Und das ist wichtig, dass du halt einen engen Draht zu deinen Spielern hast.
Und da finde ich, hat er sich eigentlich mehr distanziert jetzt von der Mannschaft, als Kredit zu gewinnen.“
Was hat denn die Mannschaft gesagt, als Vogts auf einmal dann auf der Tribüne saß?
Thomas Brdaric: „Also zu der damaligen Zeit haben wir uns da weniger Gedanken gemacht, ob das jetzt Sinn oder weniger Sinn macht. Es muss jeder Trainer für sich entscheiden. In der Türkei zum Beispiel, in der zweiten Liga, da war es ja noch in den letzten Jahren Gang und Gäbe, dass Trainer auf der Tribüne sitzen mussten. Die Cheftrainer, die aus dem Ausland kommen, die durften nicht auf der Bank sitzen, die musste auf der Tribüne sein.
Als Spieler musst du dementsprechend gewisse Dinge akzeptieren, ob du es gut findest oder nicht.“
Brdaric über Peter Neururer: „Bin sehr strange aussortiert worden“
Wer war denn dann Ihr Lieblingstrainer?
Brdaric: „Bernd Schuster.“
Warum?
Brdaric: „Weil er es nicht verwissenschaftlicht hat. Er wurde damals Trainer, auch in so einer Nacht- und Nebelaktion von Jean Löring installiert. War glaube ich seine erste Trainerstation damals, bevor dann in die große Trainerkarriere gestoßen ist und war halt immer ein Mensch, hat mir unheimlich vieles mitgegeben, hab sehr vieles von ihm gelernt.
Er hat selber noch mitgespielt als Trainer auf dem Platz bei Fortuna Köln. Das fand ich sehr spannend. Und mit so einem Klassespieler und als Trainer zusammengespielt zu haben oder gearbeitet zu haben, absolutes Privileg.
Und ich habe auch noch eine Story. Als Bernd dann zu Köln gewechselt ist, also zum FC Köln, hatten wir dann zwei Spiele mit Fortuna Köln gegen den 1. FC Köln, haben beide gewonnen und da habe ich zwei wichtige Tore damals geschossen. Das fand er damals, glaube ich, auch nicht ganz so witzig. Aber das hat mir halt das Tor in die Bundesliga geöffnet, zu Bayer Leverkusen.
Damals war das halt ein Meilenstein für Fortuna Köln und für mich, dann auf ein gewisses anderes Level zu springen.
Sie sind Porsche Liebhaber, Peter Neururer auch. Welche Geschichte hatten Sie mit Peter Neururer?
Brdaric: „Oh, Peter ist ein klasse Typ, mit dem ich mich heute sehr, sehr gut verstehe. Ich glaube, damals als Trainer – und er weiß das auch ganz genau, weil man gewisse Dinge reflektiert – bist du manchmal in gewissen Stress-Bedingungen verankert und machst halt dann auch hier und da mal den einen oder anderen Fehler, den man vielleicht heute nicht mehr hätte machen wollen, aus seiner Erfahrung heraus.
Wir hatten damals in Hannover zusammen gearbeitet, hatten eine sehr erfolgreiche Zeit, bis es dann irgendwann auch auseinander gegangen ist, weil er gedacht hat, er könnte mich mit Peter Madsen easy ersetzen. Ich hatte damals ein gutes Gespräch mit dem Präsidenten vom FC Köln, Wolfgang Overath, und ich stand ja kurz vor der WM. Und dann kam der Anruf von Wolfgang Overath. ‚Thomas, wir wollen dich haben, willst du zum Effzeh?‘ Und das sage ich: ‚Vielen Dank für ihr Interesse, aber Sie wissen schon, dass im halben Jahr die WM ist und es schwierig wird für Zweitliga-Spieler auf den WM-Zug aufzusteigen?‘.
Ich hatte damals in der Halbserie so zehn Tore geschossen und bin dann vom Trainer Peter Neururer aussortiert worden, mehr oder weniger. Was sowieso schon komplett strange ist, aber Peter wollte das so und ich war der Leidtragende. Bin nicht zum FC gegangen, was ich vielleicht hätte machen können oder sollen, aber in Hannover geblieben, hatte dann Probleme mit Peter, bis er dann halt entlassen worden ist.
Dann kam Dieter Hecking und die Dieter hat mich dann wieder spielen lassen und habe auch wieder Tore geschossen für Hannover 96, habe es dann aber am Ende des Tages nicht geschafft, auf den WM-Zug aufzuspringen, was sehr, sehr schade war. Das war damals mein großes Ziel und habe die WM dann von zu Hause verfolgt.“
Jetzt haben Sie ihre Zeit beim VfL Wolfsburg angerissen. Dort waren Sie nicht so gut auf Thomas Strunz zu sprechen. Sie haben sogar von gezieltem Mobbing gesprochen. Was war da los?
Thomas Brdaric: „Also ich bin keiner der nachkatert. Ich bin auch keiner, der nachtragend ist. Ich bin immer, auch damals, einer gewesen, der immer ehrlich war. Manchmal zu direkt, was es heute nicht mehr gibt im Profifußball, weil alles autorisiert wird und einem verboten wird. Auf der einen Seite verstehe ich das, man will ja immer immer schön sauber aus der Sache raus kommen und keinen Stress haben mit dem Verein, oder mit dem Schiedsrichter, oder mit dem Verband. Und das ist auch die höchste Prämisse, die man haben muss, weil man ja auch gewisse Regeln beachten muss, die man ja auch im Vertrag unterschreibt. Man muss auch dieses Vorbild sein, das verstehe ich alles.
Aber ich lass dann auch nicht alles mit mir machen und dafür gibt es auch Grenzen. Und wenn Grenzen überschritten werden, muss man die offen legen. Muss man auch mal klar mal dazu stehen, wie die Situation aussieht. Ja, und in der damaligen Zeit bei Wolfsburg waren wir sehr, sehr erfolgreich unterwegs. Wir waren Erster, hatten einen tollen Lauf. Ich finde, Christian Pander hat damals in seiner guten Kader zusammengestellt, der auch hätte damals Meister werden können. Aber wie das halt so im Leben ist, man scheitert immer an sich selber und nicht an anderen. Und ja, dann wurde damals Thomas Strunz installiert für Christian Pander und es war damals seine erste Station als Sportdirektor.
Da musste man halt damals eingestehen, dass der Verein hier und da mal Fehler gemacht hat. Aber das habe ich dann kundgetan in einer gewissen Zeitung mit vier Buchstaben, wurde damals bestraft vom Verein und hatte dann mit Wolfsburg nicht mehr diesen Erfolg. Bin dann nach Hannover zurückgekehrt, was die Fans damals auch nicht so gut fanden.
Ich möchte auch nicht mehr ins Detail gehen. Es ist vorbei. Ich war auch schon mittlerweile Trainer bei Wolfsburg, in der U21. Also persönliche Kriegsschauplätze zu führen, habe ich daraus gelernt, man kommt nie als Gewinner raus, sondern man versucht immer, sein persönliches Ego zu schützen. Man muss ja immer aufpassen, wie man das macht. Man muss das vernünftig klären, am besten unter vier Augen.
Die Gewinner sind meistens immer die Journalisten oder die Zeitungen und die Öffentlichkeit.“
Thomas Brdaric über legendäres 4:4-Interview: „Mir wurde ein Ei gelegt“
Dann haben Sie erst mal ein bisschen auch als Berater gearbeitet, aber jetzt schon lange Zeit als Trainer. Warum?
Brdaric: „Ich hab mich ja damals verletzt als Spieler, habe einen Knieschaden und bin Invalide, hatte sieben OPs in beiden Knien gehabt. Und wenn du nicht richtig laufen kannst, dich nicht richtig bewegen kannst, dann ist es als Trainer unheimlich schwer zu arbeiten.
Habe dann eine Spieler-Agentur gegründet, die Brdaric Sportmanagement. In der Zeit als ich sie gegründet habe, habe ich diese OPs gemacht, hab meine ersten Erfahrungen gesammelt, hab aber relativ schnell gemerkt, dass das Spieleragentur Thema nicht so mein Ding war. Habe meine Rehabilitation gemacht und habe dann immer mehr gemerkt okay, das Knie wurde durch die OPs besser, hab dann meine Trainerscheine gemacht und gemerkt, dass ich das ganz gut mache. War dann auch sehr erfolgreich in der Regionalliga, bin Meister geworden in Neustrelitz und habe dann quasi als Berater so gar nicht gearbeitet.
Ich habe das dann relativ schnell beiseite gelegt und hat dann die Trainerkarriere favorisiert und dann fortgesetzt.“
Sie haben einmal gesagt: „Es ist mir wichtiger, dass wir 4:4 spielen mit vier Toren von Brdaric, als wenn das Team 1:0 gewinnt“. Bereuen Sie den Satz Heute?
Brdaric: „Das ist, glaube ich, ein Grund, warum es Autorisierungen gibt in der heutigen Zeit. Viel mehr als damals. Obwohl mein damaliger Berater Michael Beckers auch autorisiert hat. Und die Frage wurde anders gestellt, als es dann dementsprechend gedruckt wurde. Und das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt.
Ich bin absoluter Teamplayer. Ich glaube, ich habe mehr Vorlagen gegeben als selber geschossen. Und ich hatte, glaube ich, einen sehr guten Toreschnitt als Spieler. Wenn man mich als Spieler betrachtet hat, war ich nie egoistisch veranlagt. Auch wenn du als Spieler egoistisch sein musst, gerade als Stürmer. Mir wurde damals ein schönes Ei gelegt in dieser Frage.
Wenn du einmal die Möglichkeit hast, als Stürmer vier Tore zu schießen, kann man das mal sagen, dass es sich vielleicht auch mal lohnt. Die Frage ist ja auch nicht gestellt worden zum nächsten Spiel, oder einem der wichtigsten Spiele des Jahres, sondern irgendwann, einem unwichtiges Spiel.
Da wurde die Frage einfach anders gestellt und mir damals, wie gesagt, ein Bein gestellt, wo ich drüber geflogen bin, eine blutige Nase geholt habe, dies so definitiv nicht mehr geben würde.“
Wunderbar. Vielen Dank für das ausführliche Gespräch!
Thomas Brdaric: „Sehr, sehr gerne.“