Seit mittlerweile 22 Jahren weilt Christian Karembeu in Griechenland bei Olympiakos Piräus. Erst als Spieler von 2001 bis 2004, dann als Abteilungsleiter im Scouting-Bereich sowie im Nachwuchs, sowie seit bereits zehn Jahren als Sport-Direktor des amtierenden griechischen Meisters.
Parallel sieht er sich viele Spiele in den europäischen Top-Ligen an, insbesondere von Real Madrid, wo er zwischen 1997 und 2000 als Spieler aktiv war und 1998 mit Jupp Heynckes als Trainer die Champions League gewann.
Für die Wettbasis blickt der 53–fache französische Nationalspieler auf den anstehenden El Clasico voraus, verrät was er von diesem Real 2023 unter Carlo Ancelotti hält und warum ihn ein ehemaliger deutscher Nationalspieler dermaßen beeindruckt.
Christian Karembeu: “Xavi leistet hervorragenden Job”
Wettbasis: Monsieur Karembeu, mit neun Punkten Vorsprung führt der FC Barcelona die Tabelle in der Primera Division vor Real Madrid an. Sind Sie überrascht?
“Ein bisschen schon, denn vor einem Jahr waren die Madrilenen klar besser und Barca sportlich wie finanziell in einem katastrophalen Zustand.
Aber mittlerweile hat sich Barcelona von dieser Krise bestens erholt und stand ziemlich schnell wieder auf.”
Wie erklären Sie diesen fulminanten Aufschwung des FC Barcelona?
“Xavi leistet dort einen hervorragenden Job. Er hat ein paar Monate benötigt um sich anzupassen, bzw. um gestärkt aus dieser sportlichen Talfahrt rauszukommen. Nun konnte er in den vergangenen Monaten seinen Stempel aufdrücken.
Sicherlich tat das Aus in der Gruppenphase in der Champions League, sowie vor ein paar Wochen in den Playoffs der Europa League (gegen Manchester United) weh, aber da hatte man auch ziemlich viel Pech mit den Losen. Sollte Barcelona tatsächlich spanischer Meister werden, wäre es eine erfolgreiche Saison.”
Waren die Katalanen auch auf dem Transfermarkt klüger als die Konkurrenz?
“Dass man mit Robert Lewandowski einer der zwei, drei besten Stürmer verpflichten konnte, war für Barca eine Riesen-Sache.
Wenn man sich den Kader genauer anschaut, dann ist jede Position herausragend besetzt.”
Wird Barca Meister oder trauen Sie eher Real ein spektakuläres Comeback zu?
“Mit neun Zählern Vorsprung, bei noch 13 ausbleibenden Spielen, sieht es für Barca natürlich sehr gut aus.
Die einzige Chance für Real Madrid besteht in diesem Clasico: Sollten die Königlichen gewinnen, sind es dann nur noch sechs Punkte und der Druck würde anschließend auf Barca liegen. Dementsprechend haben wir ein richtungsweisendes Clasico vor uns.”
Gilt Barca als logischer Favorit in diesem Spiel?
“Der Sieg von Barcelona im Bernabeu (1:0) vor zwei Wochen in der Copa del Rey war mental betrachtet zweifelsohne wichtig für die Katalanen, die sicherlich mit breiter Brust dieses Spiel angehen werden. Aber ich sehe übrigens Barca im Vorteil, auch wenn sie am Sonntag verlieren sollten.”
Weil?
“Barca ist wie gesagt international nicht mehr dabei, während Real im April das Viertelfinale in der Champions League bestreiten wird.
Insofern haben die Spieler von Real deutlich mehr Strapazen vor sich. Die Königsklasse kostet wahnsinnig viel Energie und Körner. Insofern sehe ich Barca im Vorteil.”
Christian Karembeu: “Toni Kroos ist einzigartig”
Auf was für einen Clasico kann man sich freuen?
“Durch die aktuelle Tabellenkonstellation wird es voller Brisanz und Spannung erwartet. Eigentlich ist es egal, wo beide Teams gerade in der Tabelle stehen: Ein Clasico ist und bleibt ein Clasico, nämlich ein außergewöhnliches Spiel in Europa.
Auch wenn man nicht unbedingt Fan von einer dieser Mannschaften sein sollte, schaut die ganze Welt jedes Mal zu.”
Welcher aktueller Real-Spieler imponiert Ihnen am meisten?
“Eigentlich alle, aber wenn ich einen nennen sollte, dann Toni Kroos. Seine Konstanz auf dem höchsten europäischen Niveau seit so vielen Jahren, seine Passsicherheit, sowie seine Einstellung sind einfach einzigartig.
Auch bei der deutschen Nationalmannschaft hat er jahrelang großes geleistet. Man behauptet über ihn – übrigens auch über Luka Modric – dass seine beste Zeit längst abgelaufen sei, dass er bald die Schuhe an den Nagel hängen wird.
Aber fest steht, dass er nach wie vor liefert, insbesondere wenn es darauf ankommt. Sogar als Einwechselspieler wie beim Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League beim FC Liverpool (5:2) konnte er überzeugen.”
Was meinen Sie genau?
“Obwohl er in den Tagen zuvor krankheitsbedingt im Bett lag, reiste Kroos ja zur Mannschaft nach Liverpool nach und als er von Carlo Ancelotti reingeworfen wurde, konnte er die Erwartungen sofort erfüllen.
Er machte keinen einzigen Fehlpass, er konnte das Spiel beruhigen und den Gegner noch mehr müde machen. Auch seine Leistung im Rückspiel in Madrid war ausgezeichnet. Er ist einfach Weltklasse.”
Welche Erinnerungen haben Sie von diesem besonderen Spiel gegen den historischen Rivalen?
“Ich habe in sechs Duellen während meinen drei Jahren in der Hauptstadt nur einmal gewonnen in der spanischen Meisterschaft. Das war in meiner letzten Saison 1999-2000 mit einem glatten 3:0-Heimsieg.
Ich war aber zu diesem Zeitpunkt verletzt. Mit mir auf dem Platz habe ich also keinen einzigen Sieg feiern können. In dieser Saison 1997-1998 waren wir bei Real mehr auf die Champions League fokussiert, weil die ganze Stadt auf den kontinentalen Triumph seit über dreißig Jahren (1965-1966) sehnsüchtig gewartet hatte.
Das war damals bei dem Sieg im Finale gegen Juventus Turin (1:0) eine Riesen-Befreiung.”
Christian Karembeu Interview: Alexis Menuge