Bernd Dreher hat in seiner Karriere viel mitgemacht. Als aktiver Torhüter stärkte er Oliver Kahn als „ewige Nummer 2“ den Rücken, ohne sich zu beschweren – bis heute.
Als Trainer, unter anderem bei Schalke und Bayern, hat er viele Keeper kommen und gehen gesehen, Manuel Neuer wird nicht nur ihm jedoch noch lange in Erinnerung bleiben. Ungewisser ist aktuell hingegen die Frage nach seinem langfristigen Nachfolger im DFB-Team.
Im Rahmen des „Beidfüßig Star Talks“ wurde der mittlerweile 58-jährige Leverkusener von Carsten Fuß unter anderem zum Duell im deutschen Nationalteam zwischen Marc-Andre ter Stegen und Oliver Baumann befragt.
Im Interview spricht er außerdem über seine freiwillig angenommene Zuschauerrolle beim FC Bayern, Schicksalsschläge und vergebene Chancen, Vergleiche zwischen Oli Kahn und Manuel Neuer, Western-Erfahrungen in den USA und „Was-wäre-wenn“-Spielchen im verlorenen Champions-League-Finale 1999.
Bernd Dreher: „Einen Manuel Neuer wird es so schnell nicht wieder geben“
Wettbasis: Zu unserem Startalk begrüße ich einen der renommiertesten Torhüter Deutschlands, auch wenn er nicht immer sehr viel gespielt hat. Herzlich willkommen, Bernd Dreher.
Bernd Dreher: Hallo.
Herr Dreher, was machen Sie heute?
Dreher: Ich bin Torwarttrainer International beim FC Bayern und mache die Global Academy und demnächst den World Sport.
Das heißt, Sie sind noch richtig gut aktiv.
Dreher: Als Trainer schon.
Sie waren lange Zeit auch mit Oliver Kahn zusammen, praktisch immer die Nummer zwei hinter ihm. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?
Dreher: Ich war zwölf Jahre mit Oliver Kahn zusammen und eigentlich immer nur positiv. Wir hatten ein ganz gutes Verhältnis. Manchmal gab es auch kleine Reibereien, aber im Großen und Ganzen kamen wir sehr gut miteinander aus.
Es gibt den Spruch, Torhüter und Linksaußen haben einen an der Waffel. Können Sie das bestätigen?
Dreher: Ja, den Schuh kann ich mir selber auch anziehen.
Was haben die denn Spezielles in ihrem Charakter?
Dreher: Jeder ist anders, aber man steht hinten trotzdem alleine. Es ist zwar ein Mannschaftsspiel, aber als Torhüter bist du halt alleine und stehst halt auch ein bisschen mehr im Fokus, wie etwa ein defensiver Mittelfeldspieler, weil du für deine Fehler ständig bestraft wirst.
Welche Reaktion oder welche psychischen Besonderheiten bringt das dann mit sich?
Dreher: Wenn man lange genug spielt und ich war über 20 Jahre in der Bundesliga, dann lernt man das natürlich auch, da musst du ein eiskalter Typ sein und deine eigenen Stärken in den Vordergrund spielen.
Jetzt haben Sie schon gesagt, Sie waren lange mit Oli Kahn zusammen. Wie lange genau?
Dreher: Zwölf Jahre.
Erinnern Sie sich noch an besondere Ereignisse oder besondere Momente mit ihm?
Dreher: Ja, gut, wir haben die Champions League, mehrfache Meisterschaften, DFB-Pokal-Siege und den Weltpokal in Tokio gewonnen. Aber das Lustigste war immer das Torwarttraining mit Oliver Kahn, aber auch mit Sepp Maier. Wir hatten sehr viel Spaß.
Es gab einmal eine Episode, da ist Oli Kahn am Kopf getroffen worden, da waren Sie auch mit beteiligt.
Dreher: Reden wir jetzt von Freiburg oder von Frankfurt?
Von beiden Ereignissen…
Dreher: In Frankfurt war halt das Pech, dass ich reingekommen bin und mir nach ein paar Minuten das Kreuzband gerissen habe. Das Spiel war Samstagabend, Dienstag darauf war das Spiel in Glasgow gegen die Rangers und ich war aber leider bei der OP. Beim Spiel in Freiburg wurde Oli von einem Golfball getroffen. Da war aber schon dreifach ausgewechselt, ich wäre sowieso nicht reingekommen. Stefan Effenberg wär, glaube ich, damals ins Tor gegangen.
In Frankfurt war es Michael Tarnat. Hatten Sie ihn vorher trainiert?
Dreher: Nein. Ich bin davon ausgegangen, dass ich das Spiel zu Ende spiele. Dass ich mir nach fünf Minuten das Kreuzband reiße, das war nicht der Plan.
Das war ja komplett irre. Sie warten jahrelang auf eine Chance, dann kommt sie. Wie sind Sie damit umgegangen?
Dreher: Ich bin zwei Tage später direkt nach Colorado geflogen, habe mich operieren lassen. Natürlich fällt man erst mal in ein Loch, da denkt man „Scheiße, jetzt war die Chance da und ich konnte sie nicht nutzen“. Aber dann geht es halt weiter. Ich habe das Bein versucht aufzutrainieren und habe dann nach fünf Monaten auch in Stuttgart wieder gespielt. Das muss man so nehmen, wie es kommt.
Aber es gibt mit Sicherheit dann auch so einen Moment, wo man sagt, das hätte der Startpunkt für eine noch größere Karriere sein können.
Dreher: Hätte. Aber war es nicht. (lacht)
Und Sie sind fein damit?
Dreher: Ja, ich konnte es nicht ändern. Das Kreuzband war durch, der Meniskus war in Scheiben. Ich war froh, dass ich überhaupt wieder weiterspielen konnte. Professor Steadman hat gesagt, wenn ich das noch eineinhalb Jahre mache, läuft es auf ein künstliches Knie hinaus. Aber ich kann heute noch Dauertraining machen.
Im Training mit Oli Kahn gab es schon auch so ein paar Situationen. Also wie gesagt, Torhüter haben einen an der Klatsche, das wissen wir.
Dreher: Aber nichts Wildes.
Ja, aber was war besonders lustig? Wo haben Sie sich wirklich kaputt gelacht?
Dreher: Lustiges gab es einiges. Aber das ist auch schon lange her. Das Lustigste war immer mit Sepp Maier, weil er ein guter Typ ist und einen guten Humor hat.
Okay, wenn Sie jetzt noch mal in Ihre Biografie einsteigen. Sie haben ja viele Trainer und viele Mitspieler gehabt. Woran erinnern Sie sich am liebsten?
Dreher: Ganz am Anfang, ich war in Leverkusen in der Jugend, da kam Dettmar Cramer auch mal zum Jugendtraining, der hat mir sehr viele Sachen gezeigt. Dann kam Erich Ribbeck, ein sehr, sehr positiver Mensch. Beim ersten Spiel am Samstag war Bundesligaspiel, Sonntag war Auslaufen und da hat sich Rüdiger Vollmann verletzt, das hieß, ich sollte dann nächste Woche spielen. Da sagte er, wir reden diese Woche darüber. Er hat gar nicht mit mir gesprochen, er hat mich einfach ins Tor gestellt in Kaiserslautern und ich habe ganz gut gehalten. Dann kam Rinus Michels, natürlich auch ein ganz feiner Kerl. Dann kam ich nach Uerdingen, da war Horst Wohlers Trainer, danach Friedhelm Funkel.
Über Friedhelm Funkel müssen wir natürlich jetzt sprechen. Der ist zuletzt noch mal mit dem 1. FC Köln aufgestiegen. Wie lange hatten Sie ihn und wie können Sie ihn charakterisieren?
Dreher: Er war, glaube ich, fünfeinhalb Jahre Trainer bei Uerdingen, ein halbes Jahr Co-Trainer, dann fünf Jahre Cheftrainer. Das ist auch ein ganz umgänglicher Typ. So wie er im Fernsehen rüberkommt, so ist er wirklich.
Christoph Daum hatten Sie auch als Coach?
Dreher: Nicht als Trainer, sondern ich habe ihn kennengelernt, da war er Nationaltrainer von Rumänien, und ich war in Rasgrad bei den Bulgaren. Wir haben uns im Trainingslager in der Türkei öfters gesehen, wenn er die rumänischen Spieler beobachtet hat.
Was war besonders an ihm?
Dreher: Ein guter Typ, er hatte auch ein bisschen Kontakt mit meinen Eltern, die waren in Verbindung.
Wie kam das?
Dreher: Ja durch Leverkusen, Köln, dann gibt es so Veranstaltungen vom Fußballverband und so haben die sich kennengelernt. Dadurch kam auch der Kontakt zu mir. Aber ich kam auch mit dem Christoph sehr gut aus.
War er auch Jugendtrainer oder was hat er gemacht?
Dreher: Er war damals, als ich in der A-Jugend war bei Leverkusen, A-Jugendtrainer von Köln. Man hat sich auch immer irgendwie gesehen, hat gegeneinander gespielt oder die haben Spielerbeobachtung gemacht. Er war bei einem Spiel von Leverkusen irgendwo am Dorf und da hat er auch mal zugeschaut. Weil es ging meistens irgendwo um Entscheidungsspiele, wo man sich getroffen hat.
Aber hat er damals auch schon Biorythmen erstellt?
Dreher: Das habe ich mal gehört, dass er uns beobachtet hat, Biorhythmen erstellt und gesagt hat: „Wenn das alles ist, dann gewinnt Köln 2:1, aber es war andersrum (lacht)“.
Wenn Sie jetzt noch mal auf dieses Golfball-Spiel zurückblicken, als Oli Kahn von einem Golfball von der Tribüne getroffen wurde, was war da genau?
Dreher: Oliver Kahn ist im Spiel plötzlich zusammengebrochen, wir haben es ja gar nicht mitgekriegt. Man hat halt gesehen, dass er stark blutet. Es war schon dreimal ausgewechselt. Dann kam Stefan Effenberg zu mir und wollte ein Trikot und Handschuhe, weil wir nicht wussten, ob Oli weiterspielen kann. Aber dann hat er sich einen Turban machen lassen und hat weitergespielt.
Würden Sie sagen, genau das zeichnet ihn aus?
Dreher: Ja, er hat immer gebissen. Klar. Ein knallharter Hund war das.
Er hat auch gespielt, wenn er verletzt war?
Dreher: Ja.
Warum?
Dreher: Das war sein Weg. Er hat immer durchgebissen. Immer weiter, immer weiter. So war er wirklich. Der hat auch nie im Training irgendwie aufgehört, also immer hart trainiert. Er war knallhart.
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Wenn Sie jetzt mal so die Torwartschule durchgehen, welche Entwicklungen hat es da gegeben, die Sie natürlich dann auch im Training aufgenommen haben? Also zwanzig Jahre ist ja schon eine wahnsinnig lange Zeit. Was hat sich da getan?
Dreher: So wie wir mit Sepp Maier noch trainiert haben, das nennt man heute „alte Schule“. Aber für mich hat sich im Torwartspiel nicht so viel geändert, sondern es wurde durch die Rückpass-Regel erweitert. Heutzutage musst du halt auch mit dem Fuß viel mehr können. Zu meiner Zeit, als ich in der Jugend war, durfte ich den Ball jedes mal in die Hand nehmen, das wurde dann immer weiter geändert. Aber ich bin immer noch Fan von Sepp Maiers Schule, plus Ballarbeit mit dem Fuß.
Sie waren übrigens auch gar nicht so schlecht, denn Felix Magath hat Sie ja auch mal als Mittelstürmer aufgestellt.
Dreher: Ich war eher offensives Mittelfeld. Im Sturm hat damals Guerrero gespielt, glaube ich. Aber ich habe immer gerne im Training mit Ecke gespielt oder im Feld mal mitgespielt. Bei Rinus Michels musste ich zum Beispiel öfters Libero spielen. Der hat nicht auf zwei Tore gespielt, sondern auf ein Tor und eine Linie. Da war ich immer Abwehrspieler, also ich konnte ein bisschen kicken.
Würden Sie sagen, das hätte gereicht für mehr?
Dreher: Nein, im Leben nicht. Wenn ich als Torhüter Bundesliga spielen hätte können, dann hätte ich die ganze Zeit falsch trainiert, weil das eine ganz andere Athletik ist.
Stört es Sie, wenn jemand sagt, Bernd Dreher, war die ewige Nummer zwei?
Dreher: Das stört mich überhaupt nicht.
Weil?
Dreher: Ich höre auch immer Stimmen, das hätte ich auch gekonnt. Das hätte derjenige ja machen können. Ich habe es gemacht und bin zufrieden.
Das heißt, Sie haben gesagt, ich bin derjenige der einspringen kann, und ich habe das Vermögen dazu.
Dreher: Die Situation war so, dass ich aus Leverkusen nach Uerdingen kam. Ich habe sechs Jahre in Uerdingen gespielt und dann kam ein Angebot von Bayern München. Ich war 29 Jahre alt, da hören andere auf. Da bin ich zu Bayern München gegangen und habe dort noch zwölf Jahre gespielt. Ich war mit 41 Jahren noch Profi bei Bayern München. Was habe ich falsch gemacht?
Nein, es geht ja gar nicht ums falsch machen, sondern die Überschriften gab es ja damals.
Dreher: Wir haben verhandelt, da saß Karl-Heinz Rummenigge am Tisch, Karl Hopfner war noch dabei und es hieß, wir suchen einen zweiten Mann, der Oliver Kahn unterstützt. Dann habe ich ja gesagt, und habe das gemacht.
Was hat Oliver Kahn da zu Ihnen gesagt?
Dreher: Oli hat es am Anfang auch nicht so richtig realisiert. Ich habe ihm dann nach sechs Wochen irgendwann gesagt: „Oli, ich bin nicht da, um dich zu verdrängen. Ich bin da, um dich zu unterstützen. Und dann hatten wir auch ein gutes Verhältnis.“ Der Oli ist seinen Weg gegangen und er war sehr erfolgreich. Das passte.
Also würden Sie sagen, man braucht da auch psychologische Betreuung oder hattet ihr psychologische Betreuung?
Dreher: Nee, nee, nee. Der Psychologe war für uns immer der Trainer. Der wurde auch im DFB-Lehrgang psychologisch ausgebildet. Wir hatten auch mit Thomas Helmer, Stefan Effenberg, dann Oliver Kahn Kapitäne. Wenn man ein Problem hatte, ist man zum Kapitän gegangen. Da gab es gar keinen Psychologen.
Würden Sie es heute auch noch so machen?
(lacht) Ja.
Wenn Sie sich jetzt aber noch mal die Situation vergegenwärtigen, die Erfolge, die Sie ja auch gefeiert haben. Sind das Erfolge zweiter Wahl dann?
Dreher: Nein, ich habe meine Rolle so akzeptiert, wie sie ist und habe auch jede Feier mitgemacht.
Und zwar ausführlich.
Dreher: Naja, so wild waren sie dann auch nicht. Man hat da immer die Vorstellung, die feiern die ganze Nacht, aber da gibt es so viele andere Sachen, da musst du da auf die Bühne, dann gibt es da wieder Interviews. Zum Beispiel nach dem Champions-League-Sieg musste die gesamte Mannschaft in eine Halle, wo dann Fans waren. Wir haben so lange gewartet, bis wir auf die Bühne kamen, so wild war das alles gar nicht.
Aber dieser Schritt, von Uerdingen zu Bayern, war ein riesiger, von der einen Seite der Tabelle auf die andere. Erzählen Sie mal, wie haben Sie diese Erfahrungen erlebt?
Dreher: Bei Uerdingen hatten wir teilweise weniger Zuschauer wie bei Bayern München beim Training. Aber ich durfte es halt erleben und bin dann auch in den zwölf Jahren mit reingewachsen. Aber es war eine tolle Erfahrung.
Und wenn Sie Leverkusen und München als Lebensumfeld vergleichen?
Dreher: Das ist natürlich ganz was anderes. Leverkusen und München zu vergleichen geht nicht.
Nein?
Dreher: In Leverkusen, da ist der höchste Punkt 50 Meter über dem Meeresspiegel und in München, da bin ich in einer Dreiviertelstunde in den Bergen.
Was ist Ihnen lieber?
Dreher: Ich bin gerne in München.
Oliver Kahn hat wirklich alles gewonnen. Hat er diese Erfolge auch mit Ihnen geteilt? Hat er Sie da mitgenommen?
Dreher: Ja. Aber alle anderen auch, die ganzen Mitspieler, es war ja nicht nur Oliver Kahn. Und damals war ja auch noch Stefan Wessels dabei. Oder Michael Rensing kam dann dazu, mit dem hatte ich auch ein gutes Verhältnis. Aber es ist ja nicht so, dass die Torhüter nur unter sich sind. Wir waren eine gute Mannschaft, das haben wir alles zusammen gemacht.
Kommen wir jetzt zu Manuel Neuer, denn mit ihm haben Sie ja auch sehr lange zusammengearbeitet. War Ihnen von Anfang an klar, das ist ein Ausnahmetalent?
Dreher: Ja. Ich werde immer gefragt, was das Spezielle an Manuel Neuer ist? War der da gut, da gut, da gut? Das Spezielle bei Manuel Neuer ist, dass er alles konnte. Er war schnell, ausdauernd, konnte springen, war fußballerisch gut, konnte Flanken gut abfangen. Also das war schon ein Gesamtpaket.
Hat es geholfen, dass ihr beide aus dem Westen Deutschlands kamt, also eine ähnliche Biografie hattet?
Dreher: Manuel Neuer war im Westen und ich bin wieder zurück in den Westen gegangen. Aber ob das geholfen hat? Wir sprechen beide Deutsch. Nachher kam er zwar zu den Bayern, aber ich habe ja auf Schalke mit ihm zusammengearbeitet. Ob das geholfen hat, weiß ich nicht.
Und wie war er im Vergleich zu Oli Kahn?
Dreher: Manuel war natürlich der erste, oder der zweite nach Jens Lehmann, der richtig mit Fußball gespielt hat. Das war zur Zeit von Oliver Kahn ja noch gar nicht so gefragt. Oliver Kahn war reaktionsschnell und aggressiv. Manuel Neuer war halt eher so der Fußballerische und so, das darf man aber nicht miteinander in einen Topf schmeißen. Durch die Rückpass-Regelung hat sich das alles geändert.
Was auch bemerkenswert ist: Seitdem Manuel Neuer bei den Bayern im Tor steht, hat sich keiner dahinter positionieren können – jetzt bis zu Nübel. Warum ist das so?
Dreher: Weil es sehr schwierig ist. Ein Manuel Neuer wird so schnell nicht wieder auf der Bühne erscheinen. Jetzt muss Urbig sich vielleicht positionieren. Ob Nübel noch mal zu Bayern kommt, kann ich nicht sagen, weiß ich nicht. Aber Manuel Neuer hat die Latte schon sehr, sehr hoch gelegt.
Das heißt, wir sind immer noch bei einem Keeper, der fast 40 Jahre alt wird. Wie lange spielt er denn noch?
Dreher: Das kann ich nicht beantworten, aber es wird nicht mehr vier, fünf Jahre sein, das ist auch jedem klar. Vielleicht noch ein, vielleicht noch zwei Jahre und dann muss sich der Nächste beweisen.
Glauben Sie, dass Urbig das Zeug dazu hat?
Dreher: Es kommt jetzt darauf an. In der nächsten Saison soll er ein paar Spiele bekommen, so wie ich gelesen habe. Er hat zumindest die Chance.
Was muss er am meisten haben? Stressresistent sein?
Dreher: Also auf mich wirkt Urbig sehr stressresistent, weil wie er mit dem Fuß schon die Pässe spielt, also das sieht schon sehr, sehr gut aus. Er wird irgendwann in Spiele reinkommen, wo er vielleicht auch mal einen Sieg halten oder einen Punkt retten muss. Da werden wir abwarten müssen, was passiert.
Wenn Sie jetzt die Bewertung von Manuel Neuer nach seinem Skiunfall machen müssten, würden Sie sagen, da war ein Break?
Dreher: Das würde ich auf jeden Fall so sagen. Da kam der Skiunfall, aber auch das Alter. Irgendwann ist auch bei jedem mal Schluss. Das wird irgendwann kommen. Ich hoffe, dass es noch so lange dauert, wie es geht. Aber irgendwann ist Schluss.
Können Sie verstehen, dass er noch weiterspielt?
Dreher: Natürlich. Es gibt auch nichts Besseres, als bei Bayern München im Tor zu spielen.
Ja, aber der Druck ist natürlich auch immens.
Dreher: Aber er hat jahrelang den Druck ausgehalten, also wird er das auch noch schaffen.
Fahren Sie auch Ski?
Dreher: Nein. (lacht)
Aber wenn wir jetzt Manuel Neuer und Oli Kahn vergleichen, wo würden Sie da ansetzen?
Dreher: Das ist ganz schwer. Zwei ganz verschiedene Typen. Da kann ich nicht viel sagen.
Helfen Sie uns weiter.
Dreher: Oliver Kahn war eher der alte, klassische Torwart. Aber dann hat sich die Zeit geändert. Durch die Rückpass-Regelung und jetzt sind eben diese modernen Torhüter gefragt und da ist halt der Manuel einer, der ein ganz hohes Level hat.
Wenn Sie jetzt von Torhütern reden, wen sehen Sie gerade auf einem Weltniveau?
Dreher: Schwer zu sagen, aber wir kommen jetzt gleich bestimmt zu Donnarumma oder Sommer, die jetzt beide eine super Saison gespielt haben. Weltklasse ist immer so ein ganz schwieriges Ding. Es gibt bestimmt auch irgendwo in der Liga super Torhüter, aber die kriegen nie das Prädikat Weltklasse. Das sind meistens einige, die wirklich international in der Champions League spielen oder Nationalmannschaft. Das ist schwer zu sagen.
Dann sind wir aber bei Donnarumma und Yann Sommer, die im Champions-League-Finale standen. Sommer haben Sie auch erlebt, er hätte jetzt seine Karriere krönen können, nachdem ihn die Bayern wieder weggeschickt haben. Ordnen Sie das mal ein.
Dreher: Die Zeit bei Bayern war für Yann Sommer nicht die glücklichste. Also da waren schon ein paar Dinger dabei, wo man gesagt hat, na ja. Aber er hat jetzt bei Inter Mailand gezeigt, dass er es kann.
Zum Beispiel?
Dreher: Wo war es? In Freiburg, ein Kopfball durch die Hände oder wie das war. Es waren ein paar unglückliche Szenen dabei, aber er hat es jetzt gezeigt, dass es auch anders kann.
Wieso zeigt er die Schwächen bei den Bayern und nicht bei Inter?
Dreher: Das müssen Sie ihn fragen.
Ja, aber das fällt ja dann auf, oder?
Dreher: Warum das so ist, das kann ich nicht beantworten. Aber er kam natürlich von Gladbach zu Bayern und vielleicht war der Druck zu groß. Oder er kam mit der Situation nicht zurecht. Das kann tausend Gründe haben, die kann man nur beurteilen, wenn man dabei war.
Hat er das Vertrauen nicht gehabt?
Dreher: Kann sein, muss aber nicht. Ich weiß es nicht.
Wenn Sie jetzt Donnarumma vergleichen, der tatsächlich wesentlich dabei geholfen hat, dass Paris überhaupt ins Endspiel gekommen ist und auf der anderen Seite Sommer.
Dreher: Der Unterschied ist die Größe (lacht). Wir haben mal mit Rasgrad gegen AC Mailand gespielt und da stand Donnarumma vor mir, da ging erst mal die Sonne weg. Ein unglaublicher Klotz, Wahnsinn.
Die Größe fällt jetzt auf. Was noch im Torwartspiel, wenn Sie die vergleichen?
Dreher: Eleganter mit dem Fuß sieht Sommer aus, Donnarumma kann trotzdem auch die Bälle gut spielen. Das ist nur ein optisches Merkmal. Die sind beide schon richtig gut.
Aber wenn Sie sich jetzt für einen entscheiden müssten?
Dreher: Ich würde Donnarumma nehmen.
Warum?
Dreher: Weil er so eine Präsenz am Platz hat. Das ist schon beeindruckend.
Aber er hat ja vor wenigen Monaten noch Platz machen müssen für den russischen Ersatzkeeper bei Paris. Was war das denn?
Dreher: Das kann ich nicht erklären. Also, ich habe schon ein paar Bälle von Donnarumma gesehen, die er rausholt, da hätte ich eine Leiter gebraucht. Der Typ ist schon beeindruckend. Er macht auch Fehler, muss man auch sagen, aber insgesamt ist er ein Klotz.
Wenn wir jetzt wieder zu den deutschen Torhütern gehen. Bei Manuel Neuer haben wir den Rücktritt aus der Nationalmannschaft erlebt. Marc-Andre ter Stegen ist der Nachfolger, muss sich aber gegen Oliver Baumann auf nationalem Niveau durchsetzen und bei Barcelona gegen Szczesny.
Dreher: Ja gut, aber Sczcesny wird auch irgendwann zu alt werden. Er wird die Chance erst mal bei Barcelona kriegen, die hat er ja schon bekommen. Jetzt muss er sich durchsetzen. Aber mal gucken, wie er zurückkommt nach der Verletzung. Ich wünsche ihm alles Gute.
Wie sehen Sie denn jetzt Baumann und ter Stegen, wenn wir die jetzt mal gegenüberstellen?
Dreher: Wenn wir für die Zukunft planen sollten, dann müssen wir auf ter Stegen bauen, weil Oliver Baumann auch leider nicht mehr der Jüngste ist. Aber sind wir froh, dass wir ihn jetzt haben, weil so viele sind sonst nicht da.
Was ist mit den deutschen Torhütern los? Jahrelang war es eigentlich so, also auf der Position muss uns jetzt keiner was erzählen.
Dreher: Das wurde immer gesagt, aber die Zeit ist leider lange vorbei.
Warum?
Dreher: Ich kann es leider auch nicht richtig beantworten, die Ausbildung in Deutschland oder die anderen haben aufgeholt. Deutschland war mal ein Torwartland und mittlerweile spielt fast die Hälfte mit ausländischen Torhütern. Irgendwas scheint nicht zu stimmen.
Aber was? Sie müssen es uns sagen, Sie sind der Fachmann.
Dreher: Ich bin immer noch der Meinung, dass das Torwartspiel auf der Linie stattfindet. Du sollst erst mal Tore verhindern. Dass du dann mitspielen kannst, bestreite ich nicht, aber der Hauptpunkt ist immer noch Bälle halten. Bei einigen ist es aber so, dass er mehr mit dem Fuß können muss wie mit den Händen. Das kann es nicht sein.
Kernproblem?
Dreher: Das Torwartspiel wieder in den Vordergrund stellen und das andere mit dem Fuß, das kommt automatisch, weil das Spiel sich ja geändert hat. Aber erst mal Bälle halten.
Wenn wir jetzt noch mal kurz in die Vergangenheit cruisen, Sie waren dabei, 1999 in Barcelona und dann zwei Jahre später der Champions-League-Sieg in Mailand. Wie oft denken Sie daran noch zurück? Was kommt Ihnen da so als erstes, als Flashback in Erinnerung?
Dreher: Ich denke gar nicht mehr so viel daran zurück, ich werde meistens eher darauf hingewiesen. Aber natürlich, das in Barcelona, das war eine ganz bittere Geschichte, in zwei Minuten zwei Kisten zu fangen. Wir haben damals noch den Schiri getroffen, der hat gesagt, wenn der Thorsten Fink den Ball weghaut, hätte er sofort abgepfiffen. Aber da ist eine Ecke daraus entstanden, das erste Tor. Dann hat er noch mal Nachspielzeit gegeben, dann kam das zweite Tor. Alles sehr unglücklich gelaufen, aber zwei Jahre später haben wir dann den Pokal gewonnen.
Das heißt, der Schiedsrichter hat beim Stand von 1:0 gesagt – Basler hatte das Tor geschossen -, wenn der Ball damals weggeschlagen worden wäre…
Dreher: Das hat er uns in einem späteren Spiel mal gesagt. Collina wars. Hättet ihr den Ball weggeschlagen, hätte ich abgepfiffen. Der Schiri war auch ein super Typ eigentlich.
Wahnsinn.
Dreher: Mit Oliver Kahn habe ich auch schon gesprochen. Hätten wir da gewonnen, hätten wir vielleicht zwei Jahre später nicht gewonnen. Es ist halt so, man muss es nehmen, wie es ist.
Wenn Sie jetzt so zurückdenken an Ihre Karriere, was fällt Ihnen als Erstes ein? Wo sagen Sie, das hat sich bei mir eingebrannt im Schädel?
Dreher: Es gab so viele Situationen, aber für mich entscheidend war damals der Wechsel zu Bayern München. Das war ein Riesenschritt, den ich auf keinen Fall bereue. Auch wenn ich angeblich nur die Nummer zwei war.
Nein, das hat auch niemand gesagt. Aber Sie mussten natürlich dann auch von einem Tag auf den anderen, als bisheriger Stammtorhüter, bei den Bayern eine ganz andere Position einnehmen.
Dreher: Das ist richtig, aber das habe ich ja bewusst in Kauf genommen.
Das war eingepreist.
Dreher: Wie gesagt, ich war damals 29 Jahre und durfte dann zu Bayern München gehen.
Jetzt haben wir noch einmal die Thematik mit Leverkusen. Florian Hinterberger hat das mal in seinem Buch geschrieben, es gab mal Rauchalarm in einem Hotel in Los Angeles. Was ist da los gewesen?
Dreher: Florian Hinterberger hatte im Hotelzimmer in den USA eine Zigarette angemacht, unterm Rauchmelder. Das hat keine zwanzig Sekunden gedauert, da hat es an der Tür geklopft und da stand ein Polizist vor der Tür. Ich habe sofort die Hände gehoben. Da stand einer mit einer Waffe, was sollte ich denn machen? Aber der ist nur reingekommen, hat gesagt „Ausmachen“ und das war dann wieder gut.(lacht)
Wie im Western haben Sie da reagiert?
Dreher: Ja, da steht jemand mit einer Waffe. Er hatte sie nicht gezogen, aber hatte die Hand am Halfter. Was machst du da sonst? (lacht)
Hatten Sie auch eine Zigarette?
Dreher: Nein, die Zigarette war bei Florian Hinterberger.
Sind Sie abgeführt worden?
Dreher: Nein, nein, er hat sie ausgemacht und dann war alles gut.
Gibt es noch eine ähnlich lustige Geschichte? Also ohne Feuermelder?
Dreher: Fällt mir jetzt leider nichts ein, es gibt bestimmt etwas. Aber ich hatte eine gute Zeit. Wir haben viel Spaß gehabt, super kam ich auch zurecht mit Michael Tarnat, wir haben so viel gelacht. Nicht nur gelacht, aber viel gelacht.
Worüber?
Dreher: Über alles. Wir hatten mal ein Benefizspiel, da haben Schauspieler mitgespielt und Jürgen Milski, Jogi Löw… Und dann sind wir auf dem Dorfplatz in eine Kabine in den Keller gegangen und fingen an, uns zu frotzeln. Jogi Löw hat auch gefragt, was wir zwei da machen. „Wir haben uns angeschissen. Du Idiot! Das ist doch kein Freundschaftsspiel! Gib mal Leistung! Du spielst bei Bayern München, da muss man Gas geben!“ Die anderen haben alle nur geguckt. Wir haben uns immer so gefrotzelt.
Und wenn Sie jetzt mal die Trainer Revue passieren lassen: Wer war derjenige, der vielleicht am meisten Ahnung hatte oder von dem Sie sagen, der hat mir am meisten gebracht oder der hat mich eigentlich nicht so weiter gebracht?
Dreher: Es gibt jetzt keinen, der mich so weit gebracht oder weit zurückgeworfen hat. Ich kam halt immer gut mit Felix Magath aus, der leider ein ganz falsches Bild in der Öffentlichkeit hat. Für mich war er ein Top-Trainer, der mich fit gemacht hat und immer korrekt war.
Was ist falsch an dem Bild?
Dreher: Ja, dieser „Quälix“-Ruf. Was ist denn so schlimm daran, dass eine Mannschaft fit ist? Das ist eigentlich Aufgabe des Trainers und das hat er geschafft.
Wer noch? Wir sprechen hier über Ribbeck, wir sprechen über Hitzfeld lange Zeit. Welche Qualitäten hatten die?
Dreher: Jeder war unterschiedlich, aber alle hatten Erfolg. Aber ich durfte auch mit Dettmar Cramer in der Jugend zusammenarbeiten, weil ich als 16-Jähriger schon in der Lehre war und dann aus der B-Jugend schon bei den Profis mittrainieren durfte. Das hat mir sehr viel geholfen, das war ein ganz feiner Kerl. Wir haben uns später noch bei Bayern München ein paar Mal getroffen, bei Champions-League-Spielen. Ein überragender Mensch!
Die Mitspieler, die Sie hatten, waren auch ganz große Persönlichkeiten. Wen haben Sie da besonders lieb gehabt?
Dreher: Ich kam super mit Stefan Effenberg aus.
Warum?
Dreher: Ein guter Typ. Wir hatten einen Draht zueinander und verstehen uns heute noch ganz gut. Er ist auch heute öfters noch bei Bayern. Ich kam mit vielen gut aus. Jorginho war in Leverkusen schon Mitspieler von mir, super netter Kerl. Wir waren mal auf dem Pützchens Markt, eine große Kirmes bei Bonn und immer wenn wir uns treffen sagt er: „Mensch, ich erinnere mich immer noch daran, wenn ich dich sehe, wir waren damals auf der Kirmes zusammen.“ Herrlich.
Die Kirmes war Jorginho als Brasilianer neu.
Dreher: Ja, das kannte er nicht.
Vielen Dank für Ihren Besuch. Hat mich echt gefreut. Danke.
Dreher: Danke auch.



